Tango in Tucson
farbenprächtigen Sonnenuntergang im Hintergrund sah das Gebäude aus, als hätte ein Designer von Disneyworld es entworfen.
Cassie fand es schön, wieder hier zu sein. Es war, als würde man aus einer verrauchten Bar in kühle Bergluft treten. Als würde man nach einer anstrengenden Einkaufstour zu Hause die Strumpfhose abstreifen. Als würde man aus einer Höhle herauskriechen und den weiten Himmel sehen. Als würde man nach Hause kommen.
Das war es. Am liebsten hätte Cassie alles umarmt ... die Galerie, das Café, sogar das Kuriositätenkabinett ... Ihr kam der schreckliche Gedanke, dass Max womöglich Recht gehabt hatte. Vielleicht gehörte sie tatsächlich hierher. Sie war hier glücklich gewesen. In Phoenix hatte sie nicht annähernd dieses Gefühl.
Plötzlich merkte sie, dass sie Tränen in den Augen hatte.
Nein. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Damit musste sie nun leben. Sie blinzelte die Tränen weg und steuerte auf den Eingang der Galerie zu. Was sollte sie zu Max sagen, wenn sie ihn gleich traf?
Drinnen gab es elegant angezogene ältere Leute ebenso wie junge Gäste in ausgefallener Kleidung und mit bunt gefärbten Haaren. Alle tranken Champagner und unterhielten sich fröhlich. Hinten spielten Manny Romero und sein in Lederhosen gekleidetes Trio.
Die Galerie sah toll aus. Riesige Dachfenster bewirkten, dass der Schuppen offen und luftig wirkte. Der Atelierbereich war durch eine beleuchtete Glaswand abgetrennt. Cassie bemerkte einige Skulpturen, die sie kannte, aber Jasper hatte manches etwas aufgefrischt. Die beiden Farmer standen jetzt in einer roten Scheune. Von der Decke hingen ebenfalls Kunstwerke herab ... ein riesiger Milchkarton mit Ohren und einem Euter und eine Rakete.
Dann entdeckte Cassie Jasper. Er trug einen Overall und hatte sich ein rotweiß-blaues Tuch um den Kopf gewickelt. Eigentlich wirkte er wie immer, nur dass dieser Overall sauber war und das graue Haar ihm lang über den Rücken fiel statt zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden zu sein.
"Cassie!" rief er und ging auf sie zu.
"Onkel Jasper." Sie umarmte ihn.
"Ich bin so glücklich, dass du da bist."
„Es ist toll hier. Wie läuft es denn?"
"Großartig. Ich habe schon drei Arbeiten verkauft, und weil ich nicht bereit bin, den Eiffelturm zu verkaufen, hat ein Architekt mich beauftragt, extra einen für ihn anzufertigen. Und er will, dass ich ihm eventuell ein paar Kunstwerke für Gebäude liefere, die er gerade baut."
"Das ist fantastisch."
"Es sieht so aus, als würde ich tatsächlich Geld verdienen. Kaum zu fassen."
"Du brauchst nicht so überrascht zu sein. Schließlich bist du ein wunderbarer Künstler. Warum solltest du kein Geld verdienen?"
"Es ist alles irgendwie surreal", meinte er. "Jedenfalls ... hast du es gesehen?"
"Was?"
Er griff nach ihrem Arm. "Komm her." Er führte sie zum Empfangstisch, neben dem eine anderthalb Meter hohe Skulptur stand. Stilisierte Flügel kamen aus Metallteilen hervor, die wie Flammen geformt waren. Das Ganze wurde von oben angestrahlt und hieß "Cassies Phoenix". Unter dem Titel stand: Für Cassie Wellington, die meinen Traum hat Wirklichkeit werden lassen".
Cassie stiegen Tränen in die Augen. "Ich kann nicht fassen, dass du das getan hast ... Ich meine, du selber hast all das doch geschaffen, nicht ich." Sie deutete auf das erstaunliche Kunstspektakel und die Leute.
"Du hast mir den Mut gegeben. Du hast den Schuppen gekauft. Du hast vorgeschlagen, eine Galerie daraus zu machen. Du warst immer für mich da, Cassie. Du hast an mich geglaubt. Ohne dich wäre ich nicht hier."
Alles, was ich getan habe, war, dir zu helfen. Es war dein Projekt. Ich ..." Sie brach ab, als ihr klar wurde, was sie gerade gesagt hatte. „Alles, was ich getan habe, war, dir zu helfen." Genau das hatte Max über seine Arbeit am Café gesagt. Aber sie hatte ihm nicht geglaubt. Genau wie Jasper vorhin bei ihr hatte sie darauf bestanden, dass Max Erfolg gehabt hatte, nicht sie. Aber Jasper hatte eindeutig Unrecht.
Hatte sie sich ebenfalls geirrt?
Sie erinnerte sich daran, wie Wade sich immer wieder auf ihre Arbeit am Café bezogen und bei vergleichbaren Projekten ihren Rat eingeholt hatte. Vielleicht hatte er das ernst gemeint und nicht bloß aus einem Schuldgefühl heraus gehandelt. Vielleicht hatte sie selbst doch mehr geschafft, als sie sich zubilligte.
"Ich fühle mich geehrt, Onkel Jasper." Sie umarmte ihn.
Und jetzt geh zu Max und erlös ihn von seinem Elend", sagte
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