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Tango Mosel

Tango Mosel

Titel: Tango Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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legte eine Ausgabe neben Waldes Teller. »Die hast du doch bestimmt damals gelesen.«
    Auf dem Weg zur Baustelle klingelte Waldes Telefon.
    »Wo steckst du?«, fragte Gabi.
    »Fleischstraße, kurz vor der Baustelle.«
    »Sattler ist da fertig und nun auf der Neptun. Apropos Neptun, Monika hat nach dir gefragt. Und rat mal, von wem der Notruf heute Nacht kam.« Nach einer Kunstpause sprach sie weiter. »Rocky!«
    »Rocky?«, wiederholte Walde. »Der Rocky?«
    »Ja, unser Rocky. Und dem statten Grabbe und ich jetzt einen Besuch ab. Ich hab seine üblichen Stationen überprüft. Seit drei Uhr heute Nacht ist er von der Bildfläche verschwunden. Vorher soll er zwei Nächte durchgemacht haben.«
    »Gib ihn zur Fahndung.«
    »Nein, nein, ich weiß, wo er zu finden ist«, sagte Gabi. »Außerdem kann ich das Rocky nicht antun.«
     
    »Der pennt bestimmt noch!« Gabi drückte inzwischen im Sekundentakt die oberste Klingel auf der Leiste. Sie zog ihr Mobiltelefon aus der Innentasche ihrer Jacke und tippte mit dem Daumen eine Nummer ein.
    »Da bist du ja endlich!«, sagte sie mürrisch. »Gabi hier, ja, richtig, die Gabi mit der schweren Handtasche … Warum machst du nicht auf? … In der Thebäerstraße … Okay, wir sind gleich da.«
    Sie steckte ihr Handy ein. »Er ist in der Muckibude beim Sepp.«
    Das Kaufhofparkhaus war belegt. In der Straße dahinter fanden sie eine Lücke vor einem Transformatorenhäuschen. Der Rest der schmalen Einbahnstraße war auf einer Seite mit Autos zugeparkt. Ein paar Häuser weiter blickte Grabbe durch die bis hinunter zum Bürgersteig reichenden Fenster in das im Keller gelegene Studio. Es musste recht groß sein, nach der Zahl der Fenster zu urteilen, die sie passierten, bis sie zu einer Treppe gelangten, die hinunter zum Eingang führte. Grabbe ließ Gabi, die sich hier auszukennen schien, den Vortritt. Sie trat mit der Fußspitze ihre Zigarette aus, bevor sie die Tür des Studios aufzog.
    Es roch nach Putzmitteln und Schweiß. In eine nicht allzu laute alte Rocknummer mischte sich das Surren von Geräten, Klicken der Gewichte und das keuchende Ausatmen der Sportler.
    Die meisten der rund ein Dutzend an den Maschinen trainierenden Männer unterbrachen ihre Übungen, um Gabi per Handzeichen zu begrüßen. Ein älterer Mann in baumwollenem Trainingsanzug kam auf Gabi zu.
    »Hallo, Gabi, lange nicht gesehen!«
    »Gerd, das ist mein Kollege Grabbe. Grabbe, das ist Gerd, falls du ihn noch nicht kennst. Er hat das Studio schon seit mehr als dreißig Jahren.« Sie wendete sich wieder Gerd zu. »Du hast ja kein Problem mit unserem Besuch.«
    »Gabi, du bist uns immer willkommen, noch lieber wär’s mir natürlich, wenn du mal wieder zum Training kämst.«
    »Mal sehen.« Sie schaute zur Theke hinüber, wo Rocky allein vor einer Tasse Kaffee saß. Grabbe kannte ihn vom Sehen. Sie nahmen neben ihm auf den mit dunklem, etwas rissigem Leder bezogenen Hockern Platz.
    Gabi machte sie miteinander bekannt. Gerd brachte ihnen zwei Kaffee und ging dann wieder in den hinteren Teil des Studios, wo er jemandem beim Drücken mit einer schweren Langhantel assistierte.
    »The Who oder Deep Purple ?«, fragte Grabbe und deutete auf die große Box oberhalb der Bar.
    »Wishbone Ash«, anworteten Gabi und Rocky im Chor.
    »Grabbe ist unser Theoretiker«, sagte Gabi und knuffte ihren Kollegen in die Seite.
    Grabbe beschloss, ab sofort den Mund zu halten. Irgendwie war das hier nicht seine Welt. Ebenso wenig wie die Neptun, von der ihm immer noch ein wenig schlecht war.
    »Ich brauch noch ein, zwei davon.« Rocky war hinter die Theke gegangen und ließ einen weiteren Kaffee in seine Tasse laufen. Sein Gesicht war blass. Die Haut unter seinen Augen wirkte dünn und faltig wie die eines Leguans. »Ich war zwei Nächte hintereinander nicht im Bett. Das hab ich schon lange nicht mehr gemacht. Früher, da hab ich nur so gelebt. Aber das hält man auf Dauer nicht aus.«
    »Und dazu noch die Aufputschmittel.«
    »Davon bin ich runter.« Rocky grinste, wobei seine Zahnlücke zum Vorschein kam. »Bis auf Ausnahmen.« Er schlürfte seinen heißen Kaffee. »Früher hab ich nach meinen Touren genauso lang geschlafen, wie ich wach war, aber …«, er hob die Hand und ließ sie wieder neben seine Tasse sinken, »man wird alt.«
    Grabbe betrachtete die verblasste Tätowierung auf Rockys Oberarm. Ein blaugraues geschwungenes, großes Kreuz.
    Nur die Musik, das Surren der Geräte, das Klicken von Eisen, Stöhnen und teils zischende

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