Tango Vitale
Sie sagen sich: »Da habe ich diesmal eben Pech gehabt.« Außerdem neigen Optimisten nicht dazu, zu verallgemeinern, sondern sehen eine schlechte Erfahrung als Einzelproblem. Sie urteilen nicht generell: »Ich wusste es doch, man kann heutzutage keinem mehr vertrauen«, sondern speziell: »Dieser Mensch hat mich betrogen. Es gibt aber auch anständige Menschen.« Oder: »Diese Person findet mich offenbar nicht attraktiv, aber für andere bin ich durchaus anziehend.« Auf diese Weise wird die positive Erwartung beim nächsten Mal kaum beeinträchtigt.
Anders ist es allerdings, wenn wir ein negatives Bild von uns haben. Dann entsteht durch die ständige Wiederholung der pessimistischen Erwartung ein Teufelskreis. Professor Peter H. Ludwig warnt davor: »Das Fatale an der negativen Selbsterfüllung von Erwartungen |146| ist, dass sie in alltäglichen Ereignissen bei ähnlichen Situationen nicht nur einmal, sondern immer wieder erscheint. Ereignisse und Erwartungen können ein sich selbst erhaltendes System bilden, das sich selbst reproduziert und verewigt, indem aus dem Ereignis wieder die Erwartung des Ereignisses und aus dieser wieder das gleiche Ereignis resultiert.« 43
Den Teufelskreis durchbrechen
Wer sein Schicksal positiv beeinflussen will, muss diesen Teufelskreis durchbrechen. Am gründlichsten wäre es natürlich, das Übel an der Wurzel zu packen und das negative Selbstkonzept zu verändern. Aber ich will ehrlich zu Ihnen sein: das dauert. Wie lange, hängt von Ihrem festen Willen, Ihrer Selbstdisziplin und den angewandten Methoden ab. Eine echte Veränderung braucht in jedem Fall ihre Zeit. Wenn Sie berücksichtigen, wie lange so ein Selbstkonzept bereits besteht, dann können Sie sich sicher vorstellen, dass man es nicht mal eben in einem Wochenendseminar oder durch die Lektüre von Ratgebern mit Titeln wie
Selbstbewusst in sieben Tagen
kippt. Damit möchte ich Sie keineswegs entmutigen. Schließlich habe ich während meiner Arbeit als Therapeutin viele Klienten erfolgreich dabei begleitet, ich weiß, dass es funktioniert. Falls Sie also dazu entschlossen sind, gehen Sie es an. Suchen Sie sich die beste Unterstützung, sei es Therapie, Coaching, die richtigen Freunde, seriöse Ratgeber. Sie werden es bestimmt schaffen. Aber Sie brauchen Geduld.
Für all diejenigen, die schnelle Ergebnisse sehen möchten: Der lange Weg zur Veränderung ist zwar besonders gründlich, doch auch mit weniger Aufwand können Sie etwas verändern, indem Sie gezielt bei der jeweiligen negativen Erwartung ansetzen und sie in eine positive oder zumindest neutrale verwandeln.
Ausgangspunkt dafür ist eine Änderung Ihrer Sichtweise. Sehen Sie |147| Ihre negative Einstellung nicht länger als absolute Wahrheit oder gar als gesunden Realismus an, sondern als eine Denkgewohnheit, die aus schlechten Erfahrungen der Vergangenheit entstanden ist. Diese neue Einstellung erlaubt Ihnen, freier zu denken. Fragen Sie herausfordernd: »Wo ist eigentlich der Beweis dafür, dass es so negativ ist oder kommen muss?« Suchen Sie Belege dafür, dass Ihre pessimistischen Gedanken hinsichtlich der Fakten nicht korrekt sind. Wohlgemerkt, es geht nicht darum, sich nun ohne Beweise mit positivem Denken Dinge einzureden. Das würde auf die Dauer ohnehin nicht funktionieren. Nein, Sie müssen sich wirklich selbst überzeugen. Dabei hilft Ihnen die klassische Methode der Disputation.
Disputation mit sich selbst
Die Bezeichnung Disputation (von dem lateinischen Wort »disputatio«, Auseinandersetzung) bezeichnet im akademischen Bereich ein Streitgespräch über ein Thema. Schon im Mittelalter waren Disputationen üblich. Dabei stellte ein Philosoph oder Theologe offiziell eine These auf und vertrat diese mit Belegen. Ein Gelehrter gleichen Ranges hielt dagegen und versuchte, mit Argumenten nachzuweisen, dass die Behauptung falsch war oder zumindest Schwächen aufwies. Berühmt ist zum Beispiel die Leipziger Disputation zwischen Luther und dem katholischen Theologen Johannes Eck im Jahre 1519. Bis in die Neuzeit sind Disputationen eine übliche Methode zur Klärung wissenschaftlicher Streitfragen, etwa in der Mathematik.
Sie sind also in bester Gesellschaft, wenn Sie zu Ihrer negativen Erwartung eine Disputation eröffnen. Dabei haben Sie allerdings ein kleines Handikap: Solange niemand bereit ist, die Rolle Ihres Gegenspielers zu übernehmen, müssen Sie die selbst ausfüllen. Gehen Sie von Ihrer ursprünglichen Meinung aus und notieren Sie
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