Tango Vitale
Vermutung. »Ich schließe daraus, dass Ihnen mein Vorschlag nicht gefällt.« »Ich leite daraus ab, dass du nervös bist.« »Ich nehme deshalb an, dass du dich langweilst.«
Fragen Sie, ob Ihre Vermutung zutrifft. »Liege ich damit richtig?« »Stimmt das?«
Ina, erfolgreich in der Marketingabteilung eines Konzerns tätig, bekommt einen neuen Chef, der den Standpunkt »Nicht gemeckert ist genug gelobt« vertritt. Er äußert keine Anerkennung, wenn sie etwas gut gemacht hat. Ina, die als Perfektionistin ihre Leistung stets selbstkritisch beurteilt, interpretiert sein Schweigen als Missbilligung und wird immer unsicherer. Nach einer Coaching-Sitzung bei mir fasst sie sich ein Herz und spricht ihren Vorgesetzten an: »Sie haben zu meiner Präsentation der Umfrageergebnisse gestern nichts gesagt. Ich schließe daraus, dass Sie nicht ganz zufrieden waren. Stimmt meine Vermutung?« Ihr Chef fällt aus allen Wolken. »Aber nein, das haben Sie doch prima hinbekommen. Im Übrigen bin ich sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit.« Ina ist froh, dass sie es gewagt hat nachzufragen. Seitdem interpretiert sie mangelndes Lob nicht gleich als Kritik.
|151| Selbst wenn Inas Chef ihre negative Interpretation bestätigt hätte, wäre ihre Nachfrage für sie ein Gewinn gewesen. Immerhin hätte sie dann gewusst, wo sie mehr Leistung bringen musste. Auf der Basis einer ehrlichen Antwort ist in jedem Fall eine positive Veränderung möglich. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die meisten Menschen eher zu pessimistisch interpretieren. Fragen Sie also gegebenenfalls mutig nach und lassen Sie sich positiv überraschen.
Ein Blick auf Ihr zukünftiges Schicksal
Zum Schluss noch ein kleiner Test: Nehmen Sie ein leeres DIN-A4-Blatt. Setzen Sie auf mittlerer Blatthöhe am linken Rand einen Punkt. Dieser Punkt bezeichnet das heutige Datum. Zeichnen Sie von diesem Punkt aus als Fieberkurve weiter, wie Ihr Leben in den nächsten sechs Monaten voraussichtlich verlaufen wird. Schauen Sie sich nun das Ergebnis an. Wie verläuft Ihre Kurve insgesamt?
Abwärts
Eher geradlinig
Aufwärts
Stark auf und ab
Eins ist sicher: Ihre Kurve sagt nichts darüber aus, wie Ihre Zukunft tatsächlich wird. Selbst wenn Sie heute schon wissen, dass für Sie im nächsten halben Jahr eine schwere Operation oder eine Hochzeit ansteht und diese Tatsache den Verlauf Ihrer Kurve mitbestimmt, – es gibt eine Vielzahl von möglichen Ereignissen, die Ihr zukünftiges Leben beeinflussen können und die sich nicht voraussehen lassen. Doch eines zeigt Ihre Kurve glasklar: Ihre Erwartung. Und Sie wissen ja nun, was die für Ihr zukünftiges Schicksal bewirken kann. Es lohnt sich deshalb für Sie, auf »aufwärts« zu setzen.
|152| Die Eigenschaften der Glückspilze
»La chance, on l’a ou on ne l’a pas«, sagt ein französisches Sprichwort: »Glück hat man, oder man hat es nicht.« Man sieht förmlich das resignierte Achselzucken: »Kismet. Das ist halt Schicksal, da kann man nichts machen.«
Professor Richard Wiseman, Leiter des psychologischen Forschungszentrums an der englischen Universität Herfordshire, ist mit dieser fatalistischen Einstellung ganz und gar nicht einverstanden. Er ist fest davon überzeugt, dass Glück oder Pech nicht allein davon abhängen, was uns das Schicksal vorgibt, sondern von der Art und Weise, wie wir auf Gelegenheiten reagieren. Seine Hypothese hat er an Tausenden Versuchspersonen untersucht, mit dem Ergebnis: Es ist ein Mythos, dass Glückspilze mühelos den idealen Lebenspartner finden oder beruflichen Aufstieg auf dem Silbertablett serviert bekommen. Und dass Pechvögel als Stiefkinder des Schicksals ohne eigenes Zutun an den Falschen geraten, im Job weniger Chancen kriegen, beim Autokauf übers Ohr gehauen werden und auf der Bananenschale ausrutschen
Haben Sie in letzter Zeit zufällig eine Münze auf der Straße gefunden, vielleicht ein Fünfcentstück? Ihr Fund hätte Sie dann zwar nicht gerade reich gemacht, aber er wäre nach Wiseman immerhin schon mal ein Hinweis darauf, dass Sie das Zeug zum Glückspilz haben.
Die Annahme, dass sich Glückspilze im Gegensatz zu Pechvögeln immer wieder selbst positive Ereignisse verschaffen, überprüfte Wiseman mit einem aufwändigen Experiment. Zu diesem Zweck arrangierte |153| er für beide Gruppen genau dieselben äußeren Bedingungen und beobachtete ihre Reaktion darauf. Als freiwillige Versuchskaninchen meldeten sich Männer und Frauen, die sich vorab selbst jeweils als
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