Tango Vitale
sämtliche Argumente, die dafür sprechen. Überprüfen Sie nun:
|148| Ist das garantiert immer so?
Ist das in jedem Fall so?
Gibt es Ausnahmen?
Kennen Sie persönlich eine solche Ausnahme?
Kennt jemand aus Ihrer Umgebung eine Ausnahme?
Die Übersetzerin Isabel lebt seit sieben Jahren allein mit ihrer 16-jährigen Tochter Julia. Die Hoffnung, einen passenden Partner zu finden, hat sie nach einigen Enttäuschungen aufgegeben. Resigniert sagt sie: »Jüngere Männer interessieren mich nicht. Und die gleichaltrigen wollen doch alle eine, die halb so alt ist wie sie. Frauen in meinem Alter sind für sie unsichtbar.« Auf die Frage, ob es Ausnahmen von dieser Regel gibt, denkt sie zunächst an zwei Schauspielerinnen über 50, die häufig im Fernsehen auftreten und die in Umfragen als attraktiv und sexy eingestuft werden. »Aber das sind schließlich Prominente.« Nach einigem Überlegen fällt ihr noch eine 51-jährige ehemalige Kollegin ein. Die hat vor kurzem einen zwei Jahre älteren Mann geheiratet und ist offenbar mit ihm glücklich.
Machen Sie sich bitte bewusst: Solange es auch nur eine einzige Ausnahme von Ihrer negativen Annahme gibt, ist das Gewünschte auch für Sie möglich. Dann geht es darum, die hinderlichen Erwartungen loszulassen und stattdessen mit Schwung alles Erforderliche zu tun, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Dabei ist Kreativität und oft auch eine gute Portion Selbstkritik gefragt. Isabel etwa könnte sich modischer kleiden, ihre Zurückhaltung überwinden, einen Flirtkurs machen, ihren Bekanntenkreis erweitern, öfter ausgehen, sich zu einer Singlereise anmelden, eine Partnerbörse im Internet nutzen, die Kollegin zum Kaffee einladen und sich bei ihr erkundigen, wie sie ihren Mann kennen gelernt hat.
Gelungene Disputationen führen meist zu einer konkreten Handlung, weil sich durch die neue Erkenntnis plötzlich viel mehr Chancen |149| auftun als bisher. Ein gutes Beispiel dafür erzählt der amerikanische Psychologe Martin Seligman. In den USA dürfen Studenten die Kurse an ihrer Universität offiziell im Internet bewerten. Für einen Psychologiekurs lautete die Beurteilung eines Studenten: »Todlangweiliger Kurs. Der Professor ist eine Schnarchnase.« Der betroffene Professor war wütend. Seine erste Reaktion war, eine pessimistische These aufzustellen: »Die Studenten heutzutage sind doch total verwöhnt. Diese unverschämten Typen wollen am liebsten statt einer Vorlesung eine Lasershow mit Spezialeffekt.« Seine Laune wurde immer schlechter, und seine Erwartungen für die nächsten Vorlesungen waren äußerst negativ. Zum Glück wusste er als Psychologe, wie er gegensteuern konnte. Er begann eine Disputation mit sich selbst: »Stimmt es wirklich, dass alle Studenten unverschämt sind? Nein, nur einer hat sich so frech geäußert. Allerdings war auch die Bewertung der anderen nicht so hoch wie sonst. Einige haben gesagt, sie hätten gerne Dias gehabt zur Veranschaulichung – also keine Rede von einer aufwändigen Lasershow.« Der Professor zog das Fazit: »Möglicherweise bin ich ja mit der Zeit etwas bequem geworden und ruhe mich auf meinen Lorbeeren aus. Vielleicht sollte ich diese harte Beurteilung als Weckruf ansehen, meine Lehrstoff aufzupeppen.« Als Ergebnis seiner inneren Disputation gestaltete er den Kurs neu. Dadurch bekam er selbst mehr Schwung und freut sich seitdem auf seine Vorlesungen, ebenso wie die Studenten. 44
Stimmt die Interpretation?
Es gibt noch eine weitere effektive Möglichkeit, die Realität zu überprüfen: Fragen Sie einfach nach, ob Sie mit Ihrer Interpretation richtig liegen. Diese Methode empfiehlt sich für alle, die sich aus dem, was sie erleben, zielsicher das herauspicken, was ihre pessimistische Erwartung bestätigt. Wenn sie zum Beispiel mit Ablehnung rechnen, interpretieren |150| sie das Verhalten ihres Gegenübers als Ablehnung, auch wenn es möglicherweise andere Gründe hat. Sie denken etwa: »Der schweigt, weil er mich nicht mag.« Vielleicht ist er aber nur müde.
Mit einer direkten Frage lässt sich das klären. Zugegeben, dazu gehört ein bisschen Mut. Schließlich offenbart man dabei etwas von sich selbst. Aber wer auf die folgende Weise vorgeht, blamiert sich bestimmt nicht. Im Gegenteil, er tritt selbstbewusst auf:
Beschreiben Sie sachlich, was Sie wahrnehmen. »Sie sagen ja gar nichts.« »Sie runzeln die Stirn«. »Du wippst die ganze Zeit mit dem Fuß.« »Du schaust aus dem Fenster.«
Nennen Sie nun Ihre
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