Tango Vitale
Glückspilze oder Pechvögel einstuften und das mit zahlreichen Fakten in ihrem Leben belegen konnten. Unter ihnen war Martin, der sich als echtes Glückskind betrachtete, und Brenda, die fand, sie sei der geborene Pechvogel.
Schauplatz des Experiments war ein Café in der Nähe der Universität. Ein Fernsehteam installierte mehrere versteckte Kameras vor dem Eingang des Lokals. Brenda und Martin hatten keine Ahnung, worum es wirklich ging. Sie wurden gebeten, einzeln und zu unterschiedlicher Zeit in das Café zu gehen und dort auf jemanden zu warten, der sie zu einem Arbeitsprojekt interviewen sollte. Kurz vor dem Eintreffen legte Wiseman eine Fünfpfundnote direkt vor dem Eingang des Lokals auf den Bürgersteig: Die spannende Frage war, wer sie sehen würde und wer nicht. Martin war als Erster einbestellt. Die Kameras liefen schon, als er vor dem Café auftauchte. Mit einem Blick sah er den Geldschein, hob ihn auf und ging hinein. Einige Zeit später legte Wiseman den nächsten Schein aus und wartete versteckt auf Brenda. Wie blind ging sie darüber hinweg und betrat das Café. Bingo! Damit war die Hypothese bestätigt: Glückspilze sind offener für Gelegenheiten als Pechvögel.
Nun können Sie natürlich einwenden, dass ja wohl jeder mal in Gedanken sein kann. Professor Wiseman führte das Experiment jedoch noch weiter und gab jedem der beiden Probanden eine zweite Chance. In dem Café hatte sein Team eine besondere Situation arrangiert: Am einzigen freien Tisch saß ein Komparse, der sich als erfolgreicher Geschäftsmann gab. Falls man einen Job sucht oder Finanztipps braucht, ist es sicher gut, so jemanden zu kennen. Kaum hatte sich Martin gesetzt, machte er sich mit dem vermeintlichen Geschäftsmann bekannt und war bald in ein interessantes Gespräch vertieft. Später setzte sich Brenda ebenfalls zu dem Geschäftsmann. Doch anders als vorher |154| Martin rührte sie stumm in ihrer Kaffeetasse und nahm keinen Kontakt auf.
Noch am selben Tag interviewte Professor Wiseman die beiden und fragte, ob sich für sie heute schon glückliche oder unglückliche Begebenheiten zugetragen hätten. Brenda zuckte die Achseln und meinte, ihr Tag sei völlig ereignislos verlaufen. Martin schilderte lebhaft, dass er auf der Straße eine Fünfpfundnote gefunden und sich in einem Café sehr nett mit einem Geschäftsmann unterhalten habe. Gleiche Gelegenheiten, anderer Verlauf. 45
Glückspilze ticken anders
Sogar eindeutigen Glückspilzen ist nur selten klar, dass sie selbst aktiv an ihrem Erfolg mitwirken. Sie handeln meist unbewusst und glauben, dass die sich bietenden Chancen reiner Zufall sind. Wissenschaftliche Untersuchungen wie die von Wiseman zeigen dagegen: Es ist keineswegs so, dass ein unfaires Schicksal seine Lieblinge bevorzugt. Glückspilze führen gute Gelegenheiten eher herbei, bemerken sie schneller und reagieren besser auf sie als Pechvögel. Diese Erkenntnis ist sensationell, denn sie bedeutet, dass jeder von uns Glückspilzeigenschaften entwickeln kann, wenn er sich ernsthaft darum bemüht. Wohlgemerkt handelt es sich um Eigenschaften, mit denen man voraussichtlich mehr Glück hat, und nicht darum, wie man es schafft, sich glücklicher zu fühlen. Die Engländer unterscheiden das präziser als wir: Sie sprechen in dem Fall von »luck«, einer günstigen Gelegenheit, im Gegensatz zu »happiness«, dem Wohlgefühl – obwohl man sich durchaus fragen darf, ob nicht beides eng zusammen hängt. Wer glaubt, häufig Glück zu haben, fühlt sich wahrscheinlich auch wesentlich glücklicher als jemand, dem vieles misslingt.
|155| Offenheit vergrößert die Chancen
Um zum Glückspilz zu werden, sollten wir uns anschauen, worin dessen Kernkompetenz besteht. Neben guter Intuition und positiver Einstellung im Sinne der selbsterfüllenden Prophezeiung zeigt er vor allem eine wichtige Eigenschaft: Er ist offen für andere Menschen und für neue Erfahrungen.
Damit es kein Missverständnis gibt: Mit Offenheit für andere Menschen ist nicht gemeint, dass wir naiv jedem Vertrauen schenken und nichts für uns behalten. Wer im Job jeden detailliert über seine Gesundheitsprobleme informiert, darf sich nicht wundern, wenn die nächste interessante Aufgabe den Kollegen übertragen wird, weil er anscheinend wenig belastbar ist. Und wie sehr man darunter leidet, keinen Partner zu haben, geht auch nur gute Freunde etwas an.
Ebenso bedeutet Offenheit für neue Erfahrungen nicht, dass wir uns bedenkenlos in jedes Unternehmen
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