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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schenkel
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Juni 1948 erledigte sich diese Art
Handel von allein. Aber während seiner Zeit als
Schwarzhändler hat der Schwager gute Kontakte aufbauen
können. Ein kleiner Ring aus Hehlern, Händlern und
Handlangern ist so entstanden.
    Die Aufgaben fest verteilt. Mich
wandert von Hof zu Hof, horcht die Leute aus. Ist die Zeit reif,
steigen er, sein Schwager oder einer der alten Kameraden seines
Schwagers in die Höfe ein. Stehlen Geld, Kleider, Schmuck,
Lebensmittel, kurz alles, das man versilbern kann. Keiner kommt auf
die Idee, ihn, den Mich, mit der Tat in Verbindung zu bringen. Zu
lange lässt er sich bei den betreffenden Bauern nicht mehr
blicken. Wird der Boden in einer Gegend zu heiß, verzieht man
sich in eine andere. Oder pausiert. Verlegt seine
Geschäftsinteressen auf andere Gebiete. Hausieren war eine
gute Möglichkeit. Sein Schwager war vor und sogar noch
während der ersten Kriegsjahre als Hausierer unterwegs
gewesen. Hatte den Bauern alles Mögliche verhökert,
Schnürsenkel, Haartinkturen, Kaffee, vor dem Krieg, im Krieg
nur Kaffee-Ersatz. Allen möglichen anderen Krimskrams. Wegen
einer Beinverletzung wurde er als Invalide vom Kriegsdienst
befreit. »Der Adolf brauchte Männer, keine Krüppel.
Zum Krüppel machen konnte er sie ja selbst«, lachte er
immer verschmitzt und klopfte dabei auf sein Bein.
    Auch jetzt, nachdem sich die Sache
mit dem Schwarzhandel erledigt hatte, ist er, der Schwager, ab und
an als Hausierer unterwegs gewesen.
    Zuerst ist der Mich nur
mitgegangen. In der Zwischenzeit ist er selbst manchmal als
Hausierer unterwegs. Aber nur gelegentlich.
    Viel lieber arbeitet er als
Gelegenheitsarbeiter auf den Höfen und baldowert so die Bauern
und ihre Höfe aus.
    Im letzten Spätsommer
verdingte er sich eine Zeit lang bei der Hopfenernte als Zupfer.
Der Verdienst ist nicht schlecht gewesen, die Verpflegung auch
nicht. Selbst die Unterkunft im Stadel war nach seinem Gusto
gewesen.
    Ab Herbst ist er kurzzeitig als
Hausierer von Haus zu Haus gezogen. Sogar an Tannöd ist er
vorbeigekommen. Hat sich aber beim Danner auf dem Hof nicht blicken
lassen. Er wollte nicht gesehen werden, denn den Tannöder
hatte er noch auf seiner Liste. Für schlechtere Zeiten. Als
Rücklage, sozusagen.
    Er ist ja nicht auf den Kopf
gefallen. Einige der guten Brocken muss man sich für Notzeiten
aufheben, als Sparstrumpf sozusagen. Und der Danner ist ein fetter
Sparstrumpf, das weiß der Mich ganz genau. Im November ist es
für ihn nicht so gut gelaufen. Er wollte mit seinem Schwager
Kupferdrähte verschachern.
    Kupfer war nach wie vor sehr
gefragt und konnte gut verkauft werden, wenn man die richtigen
Händler kannte. Sein Schwager hatte ein paar Burschen an der
Hand, die kappten die Oberleitungen der Telefonkabel. Diese sollten
dann weiterverkauft werden. Die Burschen waren nicht besonders
hell, das Ganze ging schief, und der Mich musste wegen
Hehlerei und ein paar kleinerer Sachen zum ersten Mal für ein
paar Wochen in den Bau.
    Nicht lange, aber immerhin drei
Monate waren es auch. Er ist noch nicht lange wieder auf freiem
Fuß. Bei seiner Schwester kann er nicht unterkriechen. Sein
Schwager sitzt noch ein und seine Schwester kann ihn nicht mit
durchfüttern. Es ist also die richtige Zeit, um an seinen
Sparstrumpf zu gehen. Der Tannöder ist also reif.
    Er kennt den Hof von seinen
früheren Touren gut. Der alte Danner hatte ihm einmal das
ganze Haus und den Hof gezeigt. Angegeben hat der mit »seinem
Sach«, dass es eine wahre Freud war. »Der alte Depp«
hatte ihm sogar von seinem Geld erzählt, das er »nicht
alles auf die Bank legt«. Zu Hause hätte er auch immer
etwas und nicht wenig. Die Stimmung war damals recht gut gewesen.
Er hatte es verstanden, sich beim Danner Liebkind zu machen. Der
Alte war ein Schlitzohr, einer, den der Mich zu nehmen wusste. Der
Danner prahlte damit, wie er seine Nachbarn über den Tisch
gezogen oder übers Ohr gehauen hatte.
    Er redete und redete und er, der
Mich, hatte ihn bereits im Sack.
    Darum ist er jetzt mitten in der
Nacht unterwegs zum Hof. Nur mit so einem schlechten Wetter hat er
beim besten
Willen nicht gerechnet. Er ist schon fast bis auf die Haut
durchnässt, als er endlich den Hof erreicht. Er kennt sich auf
dem Anwesen genau aus. Selbst der Hund ist kein Problem.
    Auf der Walz ist er einmal bei
einem Schäfer untergekommen, von diesem hatte er den Umgang
mit Hunden gelernt. Außerdem kennt ihn das Tier noch von
seinem Aufenthalt auf dem Hof. 

 
    Georg Hauer Bauer, 49

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