Tansania Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer
verschifft. Angezogen vom Glanz der Stadt und der wirtschaftlichen Blüte kamen zuerst die deutschen Missionare und später auch die deutschen Kolonialherren. Die Deutschen bevorzugten die hiesige tiefere Bucht als Ankerplatz für ihre schweren Dampfschiffe, wodurch Pangani, bis dahin der Hauptort der nördlichen Küste, in die Bedeutungslosigkeit versank. Durch diesen strategischen Vorteil avancierte Tanga 1889 zum militärischen Außenposten für Deutsch-Ostafrlka und zum Ausgangspunkt für die weitere Landnahme im Hinterland.
Als der Sklavenhandel durch das Verbot von 1873 nach und nach an Bedeutung verlor, begannen die deutschen Kolonialherren 1893 mit dem Bau der Usambara-Bahn von Tanga nach Moshi und später nach Arusha, die vor allem den Transport von Exportgütern wie Kaffee, Baumwolle oder Holz und später Sisal zum Hafen gewährleisten sollte. Der Plan bestand darin, die Kilimanjaro-Region mit dem Meer und somit einem wichtigen Hafen zu verbinden. 1895 erreichte die Bahntrasse Muheza, doch wurden die Bauarbeiten aufgrund der wirtschaftlichen Misserfolge im Kaffeehandel anschließend eingestellt.
Weißes Gold Sisal
Die Naturfaser Sisal
(Agave sisalana,
Swahili
katani)
stammt ursprünglich aus Süd- und Zentralamerika und zählt neben anderen Agavenarten, wie Manilahanf oder Jute, zu den Hartfasern. Als der deutsche Botaniker Richard Hindorf , der in Amani auf einer Plantage arbeitete, in einem botanischen Fachmagazin einen Artikel über Sisal sah, ließ er – nach einem Fehlversuch mit mexikanischen Pflanzen –1000 Bulbillen aus Florida kommen. Nur 62 Stecklinge überlebten 1892 die Seefahrt über Hamburg nach Tanga. Der Rest ist Geschichte: Im trockenen, sonnenintensiven Klima Ostafrikas gediehen die ersten Stecklinge bestens und legten den Grundstein für den mächtigsten Wirtschaftszweig der ersten Hälfte des 20. Jhs.
Nachdem die Stecklinge per Hand gepflanzt werden, steht nach ca. drei Jahren das erste Mal eine Ernte an. Die Erntehelfer schneiden einmal im Jahr die bis zu 1,5 kg schweren Blätter am unteren Ansatz ab und müssen dabei vorsichtig sein, denn die spitzen Stachel der Blätter bohren sich leicht in die Haut. Die stachelige Spitze wird gekappt und die Blätter fein säuberlich in Lagen gestapelt, bevor sie weitertransportiert und -verarbeitet werden. In einem maschinellen Vorgang trennen sich die trockenen Fasern vom Blattgewebe, werden hernach bis zu 12 Stunden in Wasser eingeweicht, um unerwünschte Stoffe auszuwaschen, und abschließend bis zu 10 Stunden an der Sonne getrocknet. In Bündel sortiert folgt dann der Export.
Noch heute stellt Sisal eine der weltweit wichtigsten Naturfasern dar, die als Alternative zu erdölbasierten Kunstfasern eine Renaissance erlebt. Traditionell wurde Sisal für Taue, Seile, Garne, Teppiche oder Fischernetze verwendet. Heutzutage findet es Verwendung als Verbundwerkstoff, Füllstoff für Matratzen, Dämmstoff für Häuser oder Isolierungen für Luxuswagen. Außerdem greifen moderne Biogasanlagen zur Stromproduktion auf die Abfälle aus der Sisalproduktion zurück. In Brasilien experimentiert man sogar an einem Verbundwerkstoff aus Sisal und Zement, der Asbest ersetzen soll.
Eine ausgewachsene Pflanze, die wie eine überdimensionale Ananas-Staude aussieht, wiegt bis zu 150 kg und kann bis zu 15 Jahre alt werden. Wenn die Lebensdauer einer Sisalpflanze erschöpft ist, erwächst ihr aus der Mitte ein Stab, der in Tansania als billiges Baumaterial für Dächer beliebt ist.
Nachdem 1892 erstmals Sisal in Pangani gepflanzt worden war, entwickelte sich dieser Rohstoff zum Exportschlager; in der Folge gewann auch Tanga an Größe und Bedeutung. An die 5000 Einwohner soll der Ort damals gezählt haben. Der Eisenbahnbau wurde vorangetrieben und erreichte 1902 Korogwe, 1905 Mombo am Fuße der westlichen Usambara-Berge. Diese Verbindung zum Hinterland bewahrte Tanga vor dem wirtschaftlichen Verfall, der viele andere Küstenorte nach der Einstellung des Sklavenhandels ereilte.
In dieser Zeit siedelte auch eine erkleckliche Anzahl von Griechen in der Stadt, die vor allem von der deutschen Regierung für den Bau der Eisenbahnlinie nach Deutsch-Ostafrika entsandt worden waren. Nach Beendigung des Eisenbahnbaus bewirtschafteten sie das Land und spielten über lange Zeit als Landwirte eine beherrschende Rolle in der Region.
Als tansanische Küstenstadt, die Kenia am nächsten liegt, musste Tanga im Ersten Weltkrieg als Bollwerk an der Front zwischen Deutschland
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