Tante Dimity und das verborgene Grab
gehalten.«
»Das ist gut möglich«, sagte ich.
»Ein Mann in seinem Alter?«
»Bill hat auch noch nie ein Baby gehalten, ehe er Vater wurde. Hat Adrian denn Kinder?«, fragte ich und setzte Rob in den Buggy.
»Nein«, sagte Francesca, »und auch keine Frau.« Plötzlich errötete sie und beugte sich tief über Robs Sicherheitsgurt. »Sagt man jedenfalls.«
Katrina war dabei, Rainey mit Sonnencreme einzureihen, als Francesca, Rob und ich beim Zeltdach ankamen. Adrian saß wieder auf seinem Klappstuhl vor dem Zeichenblock und schien völlig von Will in Anspruch genommen, der seinen Zeigefinger umklammert hielt. Während ich die verschiedenen BabyTaschen auf einen leeren Tisch stellte, sah er neugierig von einem Zwilling zum anderen.
»Wie unterscheiden Sie die beiden denn?«, fragte er.
Die Antwort kam völlig unerwartet von Rainey: »Man sieht in ihre Augen.«
Alle wandten ihr das Gesicht zu, aber Francesca ergriff als Erste das Wort.
»Wie meinst du das, Rainey?«
»Ich … ich weiß nicht«, sagte Rainey, von der plötzlichen Aufmerksamkeit eingeschüchtert. »Es ist nur, dass … wenn ich Will ansehe, dann sieht Will mich an. Und wenn ich Rob ansehe, dann sieht Rob mich an.«
Francescas volle Lippen verzogen sich langsam zu einem verständnisvollen Lächeln. Sie beugte sich zu Rainey hinab und legte die Hand unter ihr Kinn. »Du siehst ihre Seelen«, sagte sie.
»Man kann eine Seele genauso wenig mit einer anderen verwechseln, wie man einen Kohlkopf mit einer Katze verwechseln kann. Verstehst du?«
Rainey nickte eifrig. »Robs Seele ist silbrig blau, und Wills ist ein bisschen wie die Farbe von Gold. Meinst du das?«
Francesca lachte erstaunt. »Ich glaube, du siehst sie noch besser als ich«, sagte sie. »Natürlich, das sind die Lichter ihrer Seelen.«
Ich sah von Rainey zu meinen Jungen. Nie hatte ich Schwierigkeiten gehabt, Will und Rob zu unterscheiden, aber ebenso wenig hatte ich gewusst, wie ich es den Schwestern oder Dr. Hawking oder sonst jemandem erklären sollte – und diese Achtjährige tat es für mich.
»Und deine Seele ist so ein weiches Dunkelbraun«, fügte Rainey hinzu und sah Francesca in die Augen, »wie Mummys brauner Samthut.
Stimmt’s, Dr. Culver?«
Adrian wehrte die Frage geschickt ab. »Ich habe den Hut von deiner Mummy noch nie gesehen«, erwiderte er.
»Dann sag ich ihr, sie soll ihn zu meiner Party aufsetzen«, erklärte Rainey. »Mummy kann sich neben Francesca stellen, und Sie können in Francescas Augen sehen, so wie Sie es immer machen, und …«
»Dr. Culver«, unterbrach Katrina. »Wie lange werden Sie hier noch beschäftigt sein? Wir müssen diese Erdproben zur Analyse ins Labor bringen.«
Adrian hatte das Gesicht fast in Wills TShirt vergraben. Jetzt stand er auf, meinen Sohn im Arm, und ging eilig in eine entlegene Ecke des Feldes, in der gegraben wurde, um einen Eimer voll Erde zu holen.
»Die Erdproben können warten, bis unsere Gäste gegangen sind«, sagte er, wobei er es sorgfältig vermied, in Francescas Augen zu sehen.
»Ich dachte, Sie wollten Rainey gerade den Abraum zeigen. Und wenn Sie dort sind« – er reichte Katrina den Eimer –, »dann vergessen Sie nicht, diesen Abfall ebenfalls dort auszuschütten.«
Es war eine sanfte Rüge, aber dennoch eine Rüge, und sie kam bei Katrina nicht gut an. Sie bedachte Francesca mit einem feindseligen Blick, ehe sie sich über das Feld zum Schubkarren auf den Weg machte. Glücklich trabte Rainey hinter ihr her.
»Miss Graham neigt dazu, ihre Wissenschaft etwas zu ernst zu nehmen«, bemerkte Adrian, sobald Katrina außer Hörweite war.
»Sie ist verknallt in Sie«, sagte Francesca sachlich, wobei sie dem muskulösen blonden Mädchen gleichgültig hinterhersah.
Adrian machte ein erschrecktes Gesicht.
»Nein, das kann nicht sein«, protestierte er.
»Es ist so offenkundig wie die Nase in Ihrem Gesicht«, versicherte Francesca ihm und nahm ihm Will ab. »Und wen wundert’s? Schließlich sind Sie der berühmte Professor, der Mann, der alle Antworten weiß.«
»Ich versichere Ihnen, dass ich weitaus mehr Fragen als Antworten habe«, sagte Adrian mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Aber ich versäume meine Pflichten. Möchten Sie sich nicht setzen? Darf ich Ihnen ein Glas kaltes Wasser anbieten?« Adrian ließ seinen Hut achtlos auf den Boden fallen, öffnete eine Kühlbox und nahm eine der Flaschen Mineralwasser heraus, die Katrina bei Mr Taxman bestellt hatte. Er füllte zwei
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