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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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auch in keine andere Klinik eingewiesen worden, seit er sich auf eigenen Wunsch aus Heathermore verabschiedet hat.«
    Meine Kehle schnürte sich zu. Niemand anders als Kit konnte die Missstände in der Klinik aufgedeckt haben.
    Miss Kingsley schien der gleichen Ansicht.
    »Wenn man bedenkt, wann Kit vor der Tür des Heathermore erschien und wann er wieder verschwand, und angesichts der Tatsache, dass er durch seine Arbeit im Büro Zugang zu den Unterlagen und einem Telefon hatte, scheint es mir sehr wahrscheinlich, dass es sich bei dem anonymen Anrufer um ihn handelte.« Sie hielt inne.
    »Ich würde diesen Mr Smith sehr gerne einmal kennenlernen. Haben Sie irgendeine Ahnung, was aus ihm geworden ist?«
    »Ja«, sagte ich. »Aber es ist nicht so einfach zu erklären.«
    »Vielleicht können Sie mich am Freitag aufklären«, schlug Miss Kingsley vor. »Jetzt habe ich noch einen Grund, mich auf Ihre Party zu freuen.«
    Ich stöhnte leise auf. Die Party an Heiligabend hatte ich – zusammen mit allem anderen – fast vergessen. »Haben Sie die Telefonnummer des Obdachlosenheims in Lincoln?«, fragte ich. Miss Kingsley nannte sie mir, und ich schrieb sie auf.
    »Wird Bill auch zur Party kommen?«, fragte Miss Kingsley.
    »Das hat er gesagt«, antwortete ich misstrauisch. »Wieso? Was haben Sie gehört?«
    »Den Gerüchten zufolge ist die Nachlassenschaft Colliers ein kaum entwirrbares Knäuel«, antwortete Miss Kingsley. »Und ich weiß, wie gründlich Ihr Mann arbeitet, besonders wenn es um komplizierte Erbangelegenheiten geht. Dennoch«, fügte sie rasch hinzu, »bin ich sicher, dass er rechtzeitig zur Party zu Hause ist. Er wird doch nicht das erste Weihnachten seiner Söhne verpassen wollen.«
    Ich dankte Miss Kingsley für ihre Hilfe und legte völlig verstört den Hörer auf. Ich hatte niemals ernsthaft damit gerechnet, dass Bill das Weihnachtsfest in Boston verbringen könnte, aber wenn sich die Hinterlassenschaft Hyram Colliers als solch ein Chaos erwies, konnte es durchaus sein, dass er sich verpflichtet fühlte, zu bleiben, bis er alles geregelt hatte. Die Arbeitsmoral der Willis’ war so puritanisch wie Plymouth Rock.
    Eigentlich hätte ich explodieren müssen. Der bloße Gedanke daran, dass Bill das Weihnachtsfest im Cottage verpassen könnte, hätte mich in Rage bringen müssen. Stattdessen legte sich ein Lächeln auf meine Lippen. Wieso sollte ausgerechnet ich meinem Mann Vorwürfe machen? Er half zumindest der Witwe eines geliebten Freundes, ich war dabei, Weihnachten einem völlig Fremden zu opfern.
    Aber Kit war für mich kein Fremder mehr. In den letzten Tagen war er mir ans Herz gewachsen, als gehörte er zur Familie, und je mehr ich über ihn erfuhr, desto lieber wurde er mir. Egal, was Miss Kingsley auch herausgefunden hätte, ich hätte ihn verteidigt und beschützt.
    Ich sah Kits Gesicht vor mir, im goldenen Schein des Lichts, als habe er seine ganz eigene Ausstrahlung mit in den schwach beleuchteten Krankenraum gebracht. Ich wusste, dass es mir nicht mehr genügte zu wissen, warum sich sein Weg mit dem meinen gekreuzt hatte. Ich wollte wissen, warum er sich überhaupt auf den Weg gemacht hatte.
    Ich sah auf die Telefonnummer herab, die Miss Kingsley mir gegeben hatte. Im Obdachlosenasyl von Lincoln gab es bestimmt jemanden, der mir sagen konnte, woher Kit kam, bevor es ihn nach Skellingthorpe und zur Heathermore-Klinik getrieben hatte. Wenn ich Kits Stationen immer weiter zurückverfolgte, würde ich an den Ausgangspunkt seiner Reise kommen. Und dann würde ich vielleicht herausfinden, was ihn zu seiner seltsamen Pilgerfahrt bewegt hatte.
    Ich hielt das Telefon noch immer in der Hand, als es an der Tür des Arbeitszimmers klopfte und Willis senior mir mitteilte, dass mich im Wohnzimmer ein Besucher erwartete.

14
    ICH EILTE IN den Flur, um kurz mit Julian zu sprechen, bevor sich Willis senior zu uns gesellte.
    Der tränenselige Anruf, der den Priester zum Cottage getrieben hatte, war mir peinlich, und ich wollte vermeiden, dass er ihn in Gegenwart meines Schwiegervaters erwähnte.
    Als ich das Wohnzimmer betrat, kam Julian mit besorgter Miene auf mich zu.
    »Lori?«, sagte er. »Geht es Ihnen gut?«
    »Bitte«, flüsterte ich, »sagen Sie …« Ich brach mitten im Satz ab, weil Willis senior den Raum betrat.
    Julians gerunzelte Stirn glättete sich sofort.
    »Ich wollte die Rechnung für Ihr Handy nicht noch mehr in die Höhe treiben, Lori«, improvisierte er. »Deshalb wollte ich persönlich

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