Tante Dimity und der Kreis des Teufels
leid, Mr Hatch.« Ich zog die Decke bis an das Kinn und fragte mich, warum er bis Mitternacht warten musste, ehe er Jareds widerliche Viecher einsammelte. »Wie spät ist es eigentlich?«
»Halb acht«, erwiderte Nicole.
Also doch keine Geisterstunde. Ich hatte gerade etwas mehr als eine halbe Stunde geschlafen.
Mr Hatch stieg von der Leiter und trug sie hinaus, zusammen mit dem starrenden Affen.
Nicole wartete, bis er die Tür geschlossen hatte, ehe sie etwas sagte.
»Bitte, erzählen Sie Dr. MacEwan nicht, dass wir Sie gestört haben. Er ist sowieso schon böse auf mich, dass ich Sie so kurz nach Ihrem Unfall habe arbeiten lassen.«
»Das war doch meine Entscheidung. Aber keine gute, wie ich jetzt merke. Ich hatte mich den ganzen Tag über nicht wohl gefühlt.
Dr. MacEwan sagt, es seien die Nachwirkungen von dem Schock.«
»Wie schrecklich«, sagte Nicole.
»Ja, es war nicht schön«, stimmte ich zu.
»Meine Fantasie ist mit mir durchgegangen. Ich fing sogar schon an, Dinge zu hören. Ich glaube, man nennt das akustische Halluzi …«
»Was haben Sie gehört?«, unterbrach Nicole mich. Reglos stand sie am Fuße des Bettes. Sie trug ein wunderschönes, langes Kleid in Schiefergrau, bestickt und mit Perlen besetzt, und das dunkle Haar fiel ihr wie eine wellige Mähne fast bis zur Taille. Vor dem Hintergrund der üppigen Tapete des Zimmers sah sie aus wie eine jener wild gelockten Frauenfiguren, wie sie die Präraffaeliten malten. »Was haben Sie gehört?«, fragte sie nochmals.
Ihr eindringlicher Ton erinnerte mich wieder an das Geständnis, das sie in der Bibliothek angefangen, aber nicht zu Ende gebracht hatte.
Dabei fiel mir auch das Gespräch ein, das ich beim Frühstück vor dem Eintreten mit angehört hatte. Wenn Jared nicht im Haus sei, hatte sie gesagt, höre und sehe sie Dinge, die sie beunruhigten.
»Gelächter«, sagte ich. »Ich glaubte, einen Mann lachen zu hören.«
»Gelächter?« Nicole schien sich etwas zu entspannen. Sie trat an die Seite des Bettes, wobei sie die langen Fransen des Bettvorhangs durch die Finger gleiten ließ. »Ich habe noch nie jemand lachen hören. Aber ein Quietschen und Klopfen und dann ein Geräusch, das wie Schritte klingt. Als Jared das letzte Mal weg war, hatte ich auch den Eindruck, als starrte mich jemand durch mein Schlafzimmerfenster an.«
»Hmm«, sagte ich nachdenklich. »Mir war auch, als sähe ich zwei glühende Augen.«
»G… glühende Augen?« Nicole hatte die ihren weit aufgerissen.
»Hyperventilation.« Ich platzte mit dem ersten Gedanken heraus, der mir gerade kam, um Nicole zu beruhigen, und als ich ihn ausgesprochen hatte, schien es mir die richtige Erklärung zu sein. »Schnelles, flaches Atmen kann dazu führen, dass man Sterne sieht, Nicole, und ich habe auf der Treppe ganz schön gekeucht. Diese ›glü henden Augen‹ waren nur die Folge von zu viel Sauerstoff im Gehirn.«
»Natürlich.« Nicole schien erleichtert. »Und das einzige Gesicht, das ich in meinem Schlafzimmerfenster gesehen habe, war das vom Mann im Mond. Jared machte mich darauf aufmerksam, dass an dem Abend Vollmond war.«
»Trotzdem«, sagte ich, »Sie haben bestimmt große Angst gehabt.«
»Ich bin im Nachthemd zur Tür hinausgerannt«, gab Nicole mit schuldbewusstem Kichern zu. »Ich war schon fast bei den Bäumen, als Hatch mich einholte. Es dauerte die halbe Nacht, bis er mich überredet hatte, wieder in mein Zimmer zurückzugehen.«
Sie schlüpfte aus den Schuhen und kletterte auf mein Bett, wo sie sich, die Füße unter dem langen Kleid angezogen, gegen den Pfosten lehnte. Sie hatte offenbar die Absicht, noch ein wenig in meinem Zimmer zu verweilen.
Ich hatte nichts dagegen.
Wenn Dickie Byrd wollte, dass ich hier Babysitter spielte, würde ich mein Möglichstes tun.
Nicole weckte all meine Beschützerinstinkte. Au ßerdem war ich durch den Adrenalinschub, den ich durch Mr Hatchs Besuch bekommen hatte, hellwach geworden.
Nicole wickelte eine Haarsträhne um den Finger. »In einem Haus wie Wyrdhurst ist es aber auch leicht, Gespenster zu sehen.«
»Besonders, wenn man daran glaubt, dass es spukt«, sagte ich bedeutungsvoll.
»Captain Manning meint, dass das mit dem Geist Unsinn ist«, sagte sie. »Ein böswilliges Gerücht, das die Putzfrauen in die Welt gesetzt haben, weil Jared sie entlassen hat.«
Bei dem Gedanken, dass der Sicherheitsbeauftragte des Militärs und ich unabhängig voneinander zu demselben Schluss gekommen waren, empfand ich einen
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