Tante Dimity und der Kreis des Teufels
niemand, wenn man um Hilfe ruft.«
»Warum sollte ich um Hilfe rufen?«, fragte ich.
»Haben Sie es noch nicht gehört?« Bart beugte sich vor und schien noch größer zu werden.
»In dem Haus wimmelt es nur so von Gespenstern.«
Ich ließ mich nicht einschüchtern. »Vor Gespenstern fürchte ich mich nicht, Mr Little.«
Bart brach in schallendes Gelächter aus und stemmte die Hände in die Seiten. »Aha, eine ganz Mutige haben wir hier. Die gefallen mir besonders, euch doch auch, was, Jungs?«
Die Kartenspieler brummten irgendetwas Zustimmendes, und Bart winkte uns an einen Tisch an einem der regenblinden Fenster.
»Nehmen Sie Platz«, sagte er. »Ich schaue mal nach, wo James bleibt. Wahrscheinlich fummelt er wieder mit seinem Computer herum. Total computerverrückt, der Bengel.«
»Mr Little?«, flüsterte ich kaum hörbar, als Bart durch die Hintertür verschwand.
»Ich würde mir eine witzige Bemerkung ihm gegenüber lieber verkneifen.« Guy half mir aus der Jacke und zog einen Stuhl für mich hervor.
»Bart hat sie schon alle gehört und findet sie nicht mehr besonders lustig.«
»Aber er hat doch Humor«, sagte ich, während wir beide Platz nahmen. »Er konnte es sich nicht verkneifen, mir wegen des Gespensts von Wyrdhurst auf den Zahn zu fühlen. Passen Sie auf, wenn er erst hört …«
»Da kommt James«, unterbrach Guy und sah mich warnend an. Unser Verdacht bezüglich der wahren Identität des Gespenstes war offenbar kein Thema, über das wir hier im Pub sprechen konnten.
Bart Little erschien wieder an der Hintertür, begleitet von einem Teenager, der wie eine etwas ängstliche jüngere Ausgabe seines Vaters aussah.
Der junge Mann mit der heiseren Stimme errötete bis zu den Haarwurzeln, als ich ihn begrüßte, und vermied es sorgfältig, mich anzusehen. Ich fragte mich, was er wohl gerade gemacht hatte, als sein Vater ihn rief. Seinem verschämten Gesicht nach zu urteilen, hatte er sich vermutlich gerade ein paar unanständige Bilder aus dem Internet heruntergeladen.
James nahm unsere Bestellung für das Essen entgegen, und Bart brachte unsere Drinks, einen Apfelwein für mich und ein Lager für Guy. Als Guy nach seiner Brieftasche griff, winkte Bart ab.
»Sie setzen für unsere Freiheit Ihr Leben aufs Spiel, Sir. Ich würde nicht im Traum daran denken, Sie für Ihr Essen bezahlen zu lassen. Und Sie brauchen sich auch keinen neuen Drink zu bestellen. Ich sorge schon dafür, dass Ihr Glas nicht leer wird.« Er wischte kurz über unseren Tisch und ging hinter die Bar zurück, von wo aus er unsere Gläser nicht aus den Augen ließ.
Guy nahm einen Schluck Bier, dann zog er einen Kugelschreiber und ein schwarzes Notizbuch aus der Brusttasche. »Also, Miss Shepherd«, begann er, »zu Ihrem Unfall …«
Guys Vernehmung war so wenig vertraulich, wie sie nur sein konnte. Ab und zu sprach er sogar besonders laut, um das Piepen der Videospiele zu übertönen: Wann hatte der Unfall stattgefunden? Hatte ich irgendetwas Außergewöhnliches gesehen oder gehört? Warum hatte ich die Hinweistafel am Tor nicht beachtet? Ich wollte gerade höflich fragen, warum ich diese Fragen, die ich alle schon einmal beantwortet hatte, nochmals über mich ergehen lassen musste, als er mich mit der Frage überraschte:
»Wissen Sie, ob Sie möglicherweise Feinde in dieser Gegend haben?«
Zweifelnd sah ich ihn an. »Ich bin noch nie im Leben in dieser Gegend gewesen, Guy. Wie könnte ich hier Feinde haben, egal ob ich es weiß oder nicht?«
»Sie wissen also nicht, ob jemand Sie umbringen möchte?«, beharrte er auf seiner Frage.
»Hat es denn jemand versucht?«, fragte ich ein wenig verunsichert.
»Wer immer das Tor aufgelassen hat, ist des versuchten Mordes schuldig«, sagte Guy ernst,
»und wird nach den Buchstaben des Gesetzes verurteilt werden. Prost.« Er hob sein Glas und trank in tiefen Zügen, dann steckte er Kugelschreiber und Notizbuch wieder ein.
Meine Fleischpastete mit Nieren sah lecker aus, aber ich hätte genauso gut Heu essen können. Mir ging Guys letzte Frage nicht aus dem Kopf. Er hatte mich gleich am Anfang gewarnt, dass jemand das Tor böswillig aufgelassen haben könnte, aber er hatte nicht angedeutet, dass diese böse Absicht womöglich mir persönlich galt.
Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum mich jemand umbringen wollte, außerdem konnte ich mir keine abwegigere Art und Weise vorstellen – im wahrsten Sinne des Wortes –, einen Mord zu begehen. Weder war ich
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