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Tante Dimity und der skrupellose Erpresser

Tante Dimity und der skrupellose Erpresser

Titel: Tante Dimity und der skrupellose Erpresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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identisch, was bedeutet, dass der Schreiber seit mindestens vier Monaten Zugang zu diesem Zimmer hat.«
    »Genau. Das Rasiermesser weist auf Chambers hin, und aus diesen Büchern wurden die ekelhaften Briefe zusammengesetzt.« Ich schaukelte das Schaukelpferd. »Ich glaube, wir sollten herausfinden, ob der ExKammerdiener Ihres Onkels nach Hailesham zurückgekehrt ist.«
    »Aber wäre das Risiko, erkannt zu werden, nicht viel zu groß?«, wandte Simon ein. »Jeder hier kannte ihn und würde sich an ihn erinnern.«
    »Erinnern …«, murmelte ich. Ich schlug mir mit der flachen Hand auf die Stirn. »Das ist es, Simon!«
    »Wie bitte?«
    Ich setzte mich neben ihn auf die Fensterbank.
    »Der alte Mr Harris, der Zimmermannsmeister«, sagte ich aufgeregt. »Emma und ich sprachen gestern mit ihm, und er erwähnte, dass er jemanden getroffen hätte, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er sagte, es hätte ihn sofort an alte Zeiten erinnert. Das muss Chambers gewesen sein.«
    Simon schien nicht überzeugt. »Wenn der alte Mr Harris ihn erkannt hat, hätten wir ihn auch erkennen müssen.«
    »Sie wissen doch am besten, dass das Personal angewiesen ist, sich im Hintergrund zu halten«, argumentierte ich. »Abgesehen von Giddings sind sie doch alle nur Männer in dunklen Anzü gen, die Autos parken und Gepäck tragen. Kennen Sie jeden einzelnen?«
    »Eher nicht«, gab Simon zu.
    Triumphierend verschränkte ich die Arme.
    »Eine bessere Tarnung kann es für Chambers gar nicht geben.«
    »Aber warum sollte Chambers mich beschuldigen, Hailesham zu zerstören?«, fragte Simon entgeistert.
    »Finden wir zuerst einmal heraus, ob er sich hier aufhält«, schlug ich vor. »Über seine Motive können wir später nachdenken.«
    Simon versprach mir, gleich morgen früh mit Giddings zu sprechen, nahm das Rasiermesser an sich und warf noch einmal einen Blick auf die Bücher.

    »Sie scheinen mindestens ebenso daran interessiert, Romney , die Ratte zu rächen«, meinte er lächelnd, »wie daran, mich zu beschützen.«
    »Ich sehe es eben nicht gerne, wenn einer von euch verletzt wird.« Ich schüttelte den Kopf.
    »Als ich die Bücher fand, war ich wirklich wü tend. Sie zu zerschneiden oder die Turteltaube zu verbrennen – das sind barbarische Akte.«
    »Ein Verbrechen gegen die Kultur?«, meinte Simon lächelnd.
    »Jawohl«, bekräftigte ich.
    »Langsam habe ich den Eindruck, Sie lieben Hailesham ebenso sehr wie ich«, sagte er.
    »Mir gefällt das Konzept von Hailesham«, schränkte ich ein.
    »Was meinen Sie damit?«
    Ich rieb mir die Nasenspitze, schlug die Beine übereinander und suchte nach den richtigen Worten. »Die Welt ist ein solches Durcheinander
    … vielleicht sollte man die Teile erhalten, die noch eine Einheit bilden.«
    »Das hört sich ziemlich elitär an«, neckte mich Simon.
    »Vielleicht. Und wenn schon.« Mein Blick fiel auf das wunderbare Schaukelpferd. »Die ärmsten Menschen auf der Welt stellen Holzschnitzereien her, sie formen Ton und verwandeln Stein in Kunstwerke – weil sich der Mensch nach Schönheit sehnt. Er dürstet geradezu nach Pracht. Seine Träume gehen über das Gewöhnliche hinaus. Ich werde nie auf den Mond fliegen, aber ich bin froh, dass es jemand für mich getan hat. Selbst wenn ich Hailesham nie gesehen hätte, würde ich mir wünschen, dass es einen solchen Ort gibt.
    Das bloße Konzept nährt meine Träume.«
    Simon sah mich lange Zeit an. Er legte seine Hand auf meine. »Lori, Sie sind eine hoffnungslose Romantikerin.«
    Ich grinste verlegen. »Ich sehe mich eher als eine hoffnungs volle .«
    Simon strich mir noch einmal über die Hand, bevor er die seine zurückzog. Er lauschte dem Regen, der gegen die Fensterscheibe schlug, und sagte: »Ich entschuldige mich für den selbstsüchtigen Unsinn.«
    »Sie brauchen sich nicht entschuldigen«, sagte ich. »Sie sind müde, Sie haben Schmerzen, und Sie mussten heute zusehen, wie zwei Menschen, die Sie lieben, gelitten haben.« Ich stand auf, schaltete die Wandlampe aus und ging in den schwach beleuchteten Flur hinaus. Simon folgte mir. »Sie brauchen ein Glas warme Milch und anschließend viel Schlaf«, sagte ich.
    Er nahm meinen Arm und drehte mich zu sich.

    Seine mitternachtsblauen Augen leuchteten im Halbdunkel. »Ich nehme an, Sie werden mich nicht begleiten?«
    Für einen flüchtigen Augenblick stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn ich seine Einladung einfach annehmen würde. Ich sah mich schon auf Zehenspitzen, um ihm einen Kuss zu

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