Tante Dimity und der skrupellose Erpresser
geben, aber der Augenblick strich vorüber und ich stand noch immer mit beiden Beinen fest auf dem Boden.
Ich warf den Kopf zurück. »Ich würde ja meinen Status als Ihr ehrenamtliches Kindermädchen verlieren.«
»Ich weigere mich schlichtweg, Sie mir als Kindermädchen vorzustellen«, sagte er verstockt.
Ich lächelte zu ihm hinauf. »Dann stellen Sie sich mich einfach als Freundin vor.«
»Freundin.« Er neigte den Kopf und sprach das Wort so aus, als müsse er sich erst an dessen Klang gewöhnen. »Ich schätze, Freundin ist besser als Kindermädchen.«
»Viel besser.« Ich hakte mich bei ihm unter, als wir den Flur hinuntergingen. »Aber wenn Sie mich noch ein einziges Mal fragen, ob ich mit Ihnen ins Bett gehen will, gibt es was hinter die Löffel.«
Vor seiner Zimmertür verabschiedete ich mich von Simon, um durch mein vom Kaminfeuer erhelltes Zimmer direkt in das von Bill zu segeln, aber mein Ehemann arbeitete offenbar mal wieder bis tief in die Nacht mit Gina. Ich warf einen sehnsüchtigen Blick auf sein Bett und beschloss ihm im Namen aller hoffnungsvollen Romantiker eine Nachricht zu hinterlassen, die ihn in meine Arme locken würde, wenn er seine Arbeit beendet hatte.
Ich hatte schon einige aufregende Sätze im Kopf, als ich auf der Suche nach Papier zum Schreibtisch in meinem Zimmer ging. Ich kicherte laut, als mir eine besonders schlüpfrige Formulierung einfiel. Da sah ich, dass sich die Vorhänge nach innen wölbten.
Ich ging darauf zu und fragte mich, wer das Fenster offen gelassen hatte – und blieb starr vor Schrecken stehen, als plötzlich eine dunkle Gestalt mit erhobener Hand vor mir stand.
18
DER ANGREIFER NIESTE.
Der Schrei, der sich in meiner Kehle formiert hatte, kam als gepresstes »Gesundheit« aus meinem Mund.
»Danke«, sagte die dunkle Gestalt. Er hob erneut die Hand, um ein zweites Niesen zu unterdrücken. »Hast du ein Taschentuch? Meins ist vollkommen durchnässt.«
Ein Holzscheit fiel ins Feuer, Funken stoben auf, und ich konnte in das Gesicht meines nächtlichen Besuchers schauen. Ich kannte die fein geschnittenen Züge. Die schmale, gerade Nase, die geschwungenen Lippen und die weit auseinanderstehenden veilchenblauen Augen, sie gehörten dem schönsten Mann, dem ich je begegnet war.
»Kit!«, quietschte ich.
»Leise, Lori«, bat er mich. Er trat einen Schritt vor und fragte: »Wie geht es Nell?«
»Sie liegt im Bett«, antwortete ich. »Aber sie durfte immerhin nach Hause, also …«
»Sie ist hier? Ist sie allein?«, fragte er streng.
»Nein, nein.« Sein Trommelfeuer von Fragen machte mich ganz schwindelig. »Derek, Emma und Peter sind bei ihr.«
Er entspannte sich etwas. »Was das Taschentuch betrifft …«
Ich lehnte mich kurz an den Schreibtisch, um mich von Kits dramatischem Auftritt zu erholen, dann holte ich eine Packung Papiertaschentücher aus meiner Schultertasche und reichte sie ihm.
»Ich sollte dir einen Tritt in den Hintern verpassen. Wie konntest du mich nur so erschrecken«, flüsterte ich aufgebracht.
»Tut mir leid.« Er putzte sich die Nase und warf das Taschentuch in den Papierkorb. »Ich dachte, du wärst vielleicht ein Dienstmädchen.
Hier sind bereits Dutzende hindurchgezogen, eine hat das Bett gemacht, eine andere das Feuer im Kamin entzündet und frische Blumen in die Vasen gesteckt. Als eine stämmige Rothaarige den Teppich gekehrt hat, musste ich sogar auf den Balkon flüchten.«
Ich betrachtete ihn genauer. Sein imprägnierter Parka hatte den dunkelblauen Pullover vor der Nässe geschützt, aber seine Jeans und seine Arbeitsstiefel waren völlig durchnässt und das Wasser tropfte aus seinem kurz geschnittenen grauen Haar.
»Du bist ja klitschnass«, sagte ich mitleidig.
»Ein wenig klamm bin ich schon«, meinte er.
»Ich musste den Lieferwagen vor den Toren abstellen und den Rest zu Fuß gehen.«
Ich deutete auf den Kamin. »Setz dich ans Feuer, ich suche dir ein paar von Bills Sachen zum Anziehen heraus.«
Er hatte keine Einwände, und wir beide wussten, warum. Kit Smith war noch nicht lange Stallmeister der Harris. Als ich ihm das erste Mal begegnete, war er obdachlos, halb verhungert und fast erfroren. Er war dem grimmen Schnitter so knapp entgangen, dass sein Haar schon mit Ende dreißig völlig ergraut war. Seitdem neigte ich dazu, ihn zu bemuttern.
Kurz darauf zog sich Kit trockene Socken und eine von Bills Wollhosen an. Sie waren fast gleich groß, etwas über eins achtzig, aber Kit war der Schlankere von
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