Tante Dimity und der unerhoerte Skandal
weil er nichts von Sybella Markhams Urkunde weiß.«
»Dann glaubst du also auch, dass die sich als die echte herausstellen wird?«, fragte ich.
»Natürlich«, sagte Nell mit ungewohnter Heftigkeit. »Sir Poppet kann von Projektionen und Einbildungen reden, so viel er will, aber ich weiß , dass es Sybella Markham gegeben hat. Und ich werde es beweisen.« Sie lehnte sich gegen mich und umarmte mich schnell und heftig. »Oh, Lori, ich bin so froh , dass du Bertie und mich mitgenommen hast.«
Ich drückte Nell ebenfalls an mich, dann schickte ich sie zu Bett. Ich fragte mich, wie ich sie jemals für kühl und unnahbar hatte halten können.
Am nächsten Morgen um zehn Uhr war Paul aus London zurück, worauf Sir Poppet ihm einen Tee vorsetzen ließ, uns wärmstens für unsere Hilfe mit Onkel Williston dankte, Nell schöne Grüße an ihren Großvater auftrug und uns entließ. Sowie wir aus seiner Einfahrt heraus waren, reichte Paul uns Sybella Markhams Kaufurkunde durch das Schiebefenster der Abtrennung, dazu ein kleines Diktiergerät.
»Mr Treadwells Bericht, Madam«, erklärte er.
»Er meinte, Sie würden sicher nicht auf die schriftliche Version warten wollen.«
»Mr Treadwell weiß, dass ich die Geduld eines Grashüpfers habe«, sagte ich. Ich steckte die Urkunde in meine Aktentasche, drückte auf den Wiedergabeknopf des Diktiergerätes und musste lä
cheln, als ich Toby Treadwells gewohnt hektische Stimme hörte.
»Lori? Hier ist Toby. Tut mir Leid, dass ich mich nicht gleich an die Arbeit machen konnte, aber ich habe im Moment alle Hände voll zu tun.
Das liegt an dieser Ausstellung, die wir vorbereiten, mit den buddhistischen Texten aus Turkmenistan.
(Nein, den Kaffee nicht dahin, du Dummkopf. Ja, ich weiß, dass es wie Löschpapier aussieht, aber es ist fünfhundert Jahre alt und mehr wert als du.) Entschuldige, Lori, ich lerne gerade einen neuen Assistenten an. Oh Gott, wie kann man nur so dämlich sein. Wo war ich stehen geblieben?
Ach ja. Dieser Kaufvertrag. Ich hab ihn mir angesehen. Gitterlinien sind alle da. Das Wasserzeichen gehört Quimper aus Bath, die früher die juristische Zunft mit Papier beliefert haben, gingen 1755 Pleite. Eisengallustinte, keine Spur von synthetischen organischen Farben, also das ist auch okay. (Stell’s da hin. Nein, dorthin , du Idiot. Verdammt nochmal, muss ich denn alles selber machen?)
Verzeihung. Hmmm. Ach ja. Hab Danuta Siegersson gebeten, sich mal die Handschrift anzusehen, und sie sagt, die ist auch astrein. Hat was mit den Unterlängen und der Form vom S zu tun.
Nicht mein Gebiet. Ruf sie an, wenn du mehr wissen willst.
Also zusammengefasst: Papier, Tinte und Handschrift sind konsistent mit einem juristischen Dokument aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert.
Die Urkunde ist authentisch, aber ob sie rechtsgültig ist, musst du herausfinden. Fälschungen hat es nämlich damals auch schon gegeben.
Und sag Stan, er soll seinen akademischen Arsch hochkriegen und zu unserer Ausstellung kommen.
Und du auch, wenn du das nächste Mal in London bist. Ruf mich an, wenn ich etwas vergessen habe.
Ich muss jetzt weg. (LEG DAS HIN ! ) «
Ich drückte die Stopptaste.
»Wie ist es doch auf einmal wunderbar ruhig«, bemerkte Nell trocken.
»Deshalb heißt er auch Toby der Schreckliche«, sagte ich lachend. »Für seine Assistenten muss es die Hölle sein. Aber du hast verstanden, was er uns gesagt hat, oder? Onkel Williston hat weder Zugang zu Eisengallustinte noch zu Papier von Quimper aus Bath. Er bezieht sein Material aus einem KalligrafieStudio am Ort – ich habe Sir Poppet gefragt.« Ich legte das Diktiergerät zu der restlichen Sammlung von Gegenständen, die in meinem Aktenkoffer herumflogen. »Ich weiß nicht, wie Onkel Williston an Sybella Markhams Kaufvertrag für Anne Elizabeth Court Nummer drei herangekommen ist, aber das Dokument ist echt – direkt aus dem achtzehnten Jahrhundert.«
»Ich wusste, dass es echt ist«, sagte Nell ruhig.
»Genauso echt wie Sybella Markham.«
Nell trug heute die Bundfaltenhose aus Gabardine und die Leinenbluse, die sie auf unserer Fahrt nach Haslemere getragen hatte, sowie die weiße Umhängetasche, die sie in London bei sich gehabt hatte. Diese öffnete sie nun und holte ein Bündel dicht bedruckter Seiten heraus.
»Was hast du denn da?«, fragte ich und sah neugierig über ihre Schulter.
»Es ist eine Kopie des Protokolls, das Sir Poppets Sekretärin von meinem Gespräch mit Onkel Williston gestern gemacht
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