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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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uns alle zusammen‹, pflegte sie zu sagen. Aber es sollte anders kommen.«
    Zu diesem Zeitpunkt des Krieges gab es bereits ein gut eingespieltes Verfahren, um ausgebombten Familien zu helfen, aber Tom war dem langen Arm der Verwaltung entwischt und lebte die nächsten Monate über ganz allein, »wie eine Ratte in den Ruinen«. Er verrichtete kleine Arbeiten für andere und fand allerlei Gegenstände im Schutt, die er gegen Lebensmittel eintauschte. Er hatte sich im Keller einer Ruine eine Art Wohnung eingerichtet, bis eine Sozialarbeiterin ihn endlich fand und nach Starling House brachte.
    Ich schluckte. »Starling House? Das Heim für Witwen und Waisen?«
    Tom sah mich mit neuem Respekt an. »Wie kommt es, dass Sie das kennen?«
    »Ich – äh – ich habe viel über den Zweiten Weltkrieg gelesen«, sagte ich.
    »Sie müssen mir erzählen, wo Sie etwas über Starling House gelesen haben«, sagte Tom. »Wurde dort auch eine Frau namens Dimity Westwood erwähnt?
    Ohne sie ist jeder Bericht über Starling House unvollständig. Dimity war Starling House.« Er lächelte liebevoll. »Wunderbare Frau. Hat mein Leben ver
    ändert. Hat mich gewaschen, mit mir Rechnen geübt und brachte mir bei, wie ein kleiner Gentleman zu sprechen. Und sie schenkte mir Geraldine.«
    Was bedeutete, wie ich überrascht feststellte, dass Geraldine und Reginald so etwas wie Vetter und Cousine waren, wenn es bei Kuscheltieren so etwas gäbe. Also war ich nicht die Einzige, die in England Verwandtschaft hatte.

    »War es nicht schwierig für Sie?«, fragte Bill.
    »Natürlich nicht das mit Geraldine, aber die ganzen Regeln und die Disziplin nach der langen Freiheit?«
    »Nur am Anfang«, gab Tom zu. »Aber als Dimity meine Leidenschaft für Flugzeuge entdeckt hatte, war ich Wachs in ihren Händen. Sie nahm mich mit auf die Flugplätze und machte mich mit ihren Fliegerfreunden bekannt, die mich auf ihren Kisten rumklettern ließen.« Toms Augen strahlten, als seine Erinnerungen wie eine Flutwelle zurückkamen. »Sie war einfach super. Ich habe sie verehrt. Das taten wir alle. Sie machte Starling House zu einem Zuhause für uns. Sie erfand Spiele, erzählte Geschichten, backte kleine Leckereien und ließ uns die Schüsseln auslecken.«
    »Karamellbrownies«, sagte ich wie im Traum.
    »Ich vermute, die haben Sie bei meinem Sohn probiert«, sagte Tom. »Gerald mag sie sehr gern –
    Arthur auch, aber der mag alles gern, was essbar ist. Sie sagte, sie habe das Rezept von einer lieben Freundin aus Amerika.«
    Ich griff mir mit der Hand an die Stirn. »Und Dimity brachte Sie zur Familie Willis?«
    »So war es.« Tom ließ ein pfeifendes Lachen hö
    ren. »Vetter William sagte schon, dass Sie das überraschen würde.«

    Vom Donner gerührt wäre eine genauere Beschreibung gewesen. Ich war immer davon ausgegangen, dass Dimity sich lediglich aus Sorge um Willis senior zu ihrem Cottage hingezogen fühlte.
    Jetzt sah ich, dass ich mich getäuscht hatte. Sie muss sich mindestens genauso um Onkel Tom gesorgt haben. Er war ein Kind von Starling House, praktisch eines ihrer eigenen, ein Teil der Familie, die sie geschaffen hatte, um sich für die Familie zu entschädigen, die sie nicht haben konnte, weil ihre große Liebe über dem Ärmelkanal abgeschossen worden war. Tom war genauso Dimitys Kind, wie ich es war. Sie musste gewusst haben, dass ihn etwas quälte, und hatte deshalb beschlossen einzugreifen. Nur dass die Hand, die hier eingriff, ausgerechnet meine sein musste.
    »Hat die Familie Willis Sie offiziell adoptiert?«, fragte ich.
    Tom nickte. »Ich kam ins Internat, dann durfte ich studieren. Es war schwer am Anfang, aber Williston hat mich jedes Mal verteidigt, wenn ich irgendwo aneckte. Nach einiger Zeit war ich dann einfach nur noch der ältere Sohn der Familie.«
    Bill lehnte sich vor. »Weiß Gerald, dass Sie adoptiert sind?«
    »Natürlich«, sagte Tom. »Ich bin meinem Sohn gegenüber immer völlig ehrlich gewesen.« Er schwieg einen Moment. »Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass er mir gegenüber genauso ehrlich ist.« Das Gespräch brach plötzlich ab. Schwester Watling sah von ihrem Buch auf, aber es war nicht klar, ob sie nach ihrem Patienten sehen wollte oder nur wartete, dass er weitersprach.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte Tom endlich.
    »Noch nicht«, erwiderte ich und ergriff Bills Hand.
    »Wenn Sie Kinder haben«, sagte Tom und sah in die Ferne zum Horizont, »dann werden Sie merken, dass es das Schlimmste auf der Welt ist, wenn

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