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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Entzücken in Furcht umschlug, als ich reglos dasaß und meinen Blick nicht von dem faszinierenden, surrenden Propeller abwenden konnte, der scheinbar direkt auf meine Nasenspitze zusteuerte.
    »Das befürchte ich«, sagte Tom immer noch mit diesem merkwürdigen Lächeln.
    Ich starrte gebannt und wie hypnotisiert auf das Flugzeug, das näher und näher kam, bis es so niedrig über uns hinwegflog, dass ich das grinsende Gesicht des Piloten hinter der Schutzbrille erkennen konnte. Ich stieß einen unartikulierten Schreckenslaut aus und zuckte zusammen, wobei ich meine Arme schützend über den Kopf hielt und spürte, wie meine Haare im Sog flatterten, während das Flugzeug wieder steil in den Himmel stieg.
    »Eine Gloster Gladiator von 1935«, sagte Tom mit etwas lauterer Stimme. »Bristol Mercury NeunZylinder radial. Verteidigte im Luftkrieg die Werften in Bristol.«
    Ich nahm die Arme wieder herunter und sah misstrauisch in den Himmel. Das Motorengeräusch war verstummt und das Flugzeug verschwunden.
    Ich sah Bill an, der ebenfalls ziemlich geschockt aussah, und Nell, die entzückt war.
    »Passiert das oft?«, fragte ich und wandte mich wieder an Tom.
    »Jeden Donnerstag«, erwiderte er. »Wenn es das Wetter zulässt.«
    Schwester Watling stand auf, goss Wasser in das Glas, nahm zwei Tabletten aus der Packung und wartete, bis Tom sie geschluckt hatte. Bei dem Gedanken, was für eine Wirkung die Gloster Gladiator auf meinen Puls gehabt hatte, wunderte es mich nicht, dass er seine Medizin brauchte.
    »Sie ist aus der ShuttleworthSammlung«, erklärte Tom, nachdem Schwester Watling sich wieder gesetzt hatte.
    »Ist das ein Museum?«, fragte ich.
    »Es ist mehr als das – es ist ein lebendes, atmendes Denkmal für das Fliegen«, erwiderte Tom. »Jede Maschine in der Sammlung ist flugtauglich. Dadurch ist Shuttleworth einmalig.« Tom sprach jetzt matt und langsam, wie ein Mensch, der seine Kräfte nicht überfordern darf, aber seine Begeisterung war nicht zu überhören. »Wo kann man sonst aus dem Fenster schauen und einen Tag eine Gipsy Moth und am nächsten eine Hawker Hind sehen? Wo sonst kann man Motoren hören, die schon vor fünfzig, sechzig oder gar siebzig Jahren gebrummt haben?«
    »Die fliegen dort siebzig Jahre alte Maschinen?«, fragte Bill zweifelnd.
    Tom schloss die Augen. »In dem Hangar riecht es nach Öl, und man kann praktisch das Paraffin in der Luft schmecken. Man kann dort eine Blackburn von 1912 sehen, aber auf ihr sammelt sich kein Staub, nein, sie ist lebendig, mit Mücken auf dem Propeller und öligen Fingerabdrücken auf dem Rumpf.« Er öffnete die Augen und sah mich an.
    »Natürlich war ich jetzt schon eine Weile nicht mehr dort. Schaffe es nicht mehr. Aber wenn der Wind richtig steht, kann ich hören, wie sich die Motoren Warmlaufen. Darum kommen die Jungs hier immer im Tiefflug rüber, so oft es geht. Nett von ihnen.«
    »Und darum wohnen Sie hier in Old Warden«, sagte Nell. »Damit Sie in der Nähe der ShuttleworthSammlung sein können.«
    Tom nickte zustimmend. »Ich würde sogar hier zelten, wenn es nicht anders ginge. Weiß auch nicht, wie Geraldine es geschafft hat, dieses Haus zu finden. Diese Häuser sind meist schon weg, ehe sie überhaupt auf den Markt kommen.« Er lehnte sich zurück, seine Brust war eingesunken, aber ein glückliches, fast kindliches Lächeln lag auf seinen bläulichen Lippen.
    »Vielleicht sollten wir uns verabschieden«, sagte ich, dem aufmerksamen Blick von Schwester Watling folgend.
    »Nein, nein«, sagte Tom und langte nach seiner Sauerstoffmaske. »Kleinen Moment nur. Wunderbare Maschine, haucht mir neues Leben ein.«
    Der Hauch neuen Lebens, dachte ich, als er sich die Maske übers Gesicht hielt. Ein liebender Sohn würde alles tun, um seinem Vater dieses Geschenk zu machen. Ich fragte mich, wie Gerald das alles finanzierte. Wohin wir kamen, überall stießen wir auf kostspielige Posten, die allesamt zu Geralds Lasten gingen – teure Geschenke für Onkel Williston, Toms perfektes Cottage hier in diesem Märchendorf und – wenn wir es richtig einschätzten –
    Zahlungen an eine kloßförmige Erpresserin. Bei diesem Tempo würden Geralds finanzielle Reserven bald in ein Sparschwein passen.
    Es sei denn, er hätte zusätzliche Einnahmen. Ich dachte an den Tag, an dem ich in sein Haus gestolpert war und Geralds Erscheinung mich so umgehauen hatte, dass ich vor Verwirrung das Wohnzimmer nicht gefunden hatte. Stattdessen hatte ich das Reliquiar gefunden,

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