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Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Titel: Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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überglücklich sein würden.
    Bei meinem ersten Besuch des St . Benedict’s Hostel for Transient Men hatte ich Hemmungen gehabt, über die Schwelle zu treten. Das Gebäude stank nicht nur, sondern war so feucht und heruntergekommen, dass man es sofort abgerissen hätte, wenn es nicht für die Untersten der Unterschicht bestimmt gewesen wäre. Und auch seine Bewohner hatten mich abgeschreckt. In puncto Geruch und Verfassung standen sie dem Haus in nichts nach. Kurz, ich tat mein Bestes, um ihnen aus dem Weg zu gehen.
    Julian Bright hatte dafür gesorgt, dass ich meine Einstellung änderte. Er war ein guter Mensch, und das wollte ich auch sein – oder zumindest ein besserer als bisher –, sodass ich die Zähne zusammenbiss und mich zwang, mich nicht von den dreckigen Gesichtern abschrecken zu lassen, sondern Männern in die Augen zu sehen, die für mich frü her unsichtbar gewesen waren. Und in diesen Augen entdeckte ich Hunderte Arten von Schmerz, an dem ich sehr wohl etwas ändern konnte, selbst wenn das etwas so Einfaches bedeutete, wie einem Mann das Bett zu machen, der nur daran gewöhnt war, in Hauseingängen zu schlafen. Mir war klar, dass ich zu solch selbstloser Hingabe, wie Julian sie praktizierte, nie fähig sein würde, doch ich war bereits ein bisschen an meiner Aufgabe gewachsen, seit er mir mit seinem Beispiel gezeigt hatte, wie unendlich groß eine Seele sein kann.
    Aus Dankbarkeit verwendete ich einen Teil meines stattlichen Vermögens dafür, Julian und seiner Herde ein neues Gebäude zu stiften. Das neue St.- Benedict’s-Asyl war sauber, gut beleuchtet und fast frei von Gestank. Jetzt trat ich mit Vergnügen über die Schwelle, wusste ich doch, dass ich unter Freunden war – und das Dach aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor Ende meiner Schicht einstürzen würde.
    Meine Bettwäschewechsel-Runde dauerte an diesem Morgen länger als üblich, weil ich ständig stehen bleiben und erklären musste, warum die Zwillinge nicht dabei waren.

    »Pferde, hä?«, grummelte Leslie ›Hinkebein‹ auf seinen Besen gestützt. »Würde meine Kinder bestimmt nie mit Pferden rumtollen lassen. Woher, meinen Sie, hab ich mein steifes Bein?«
    Leslie hatte mit der Zeit schon so viele Erklä rungen für sein Hinken geboten – Kriegswunde, Schlangenbiss, Unfall beim Segeln –, dass ich kaum geneigt war, ihm eine Geschichte abzukaufen, bei der Pferde im Spiel waren. Meine Zweifel behielt ich allerdings für mich, denn wie immer rührte mich seine Sorge um meine Bengel.
    »Sie können ganz beruhigt sein«, meinte ich.
    »Kit passt gut auf sie auf.«
    Leslies mit grauen Stoppeln übersätes Gesicht hellte sich auf, als ich das Zauberwort aussprach.
    Kit Smith hatte selbst einmal als Penner im Asyl der St. Benedict’s Church gelebt. Viele erinnerten sich noch daran, wie er Julian Bright das Leben gerettet hatte, indem er einen Verrückten, der sich mit dem Messer auf ihn gestürzt hatte, kurzerhand entwaffnete. Seitdem galt Kit hier als Heiliger, und ihre Verehrung hatte seit seinem Auszug nicht nachgelassen.
    »Ah, dann gibt’s nix zu meckern«, gab sich Leslie geschlagen und wandte sich ab. »Kit sorgt dafür, dass ihnen nix passiert.«
    Um elf Uhr strich ich die letzte Decke glatt, und als Julian mich einlud, eine Kanne Tee mit ihm zu teilen, sagte ich nicht nein. Wir setzten uns im Speisesaal in eine Ecke, und ich berichtete von meinen neuesten Erkenntnissen über die Frau, die der St. Benedict’s Church eine so stattliche Summe hinterlassen hatte. Er wiederum bot mir seine Hilfe bei der Suche nach Kenneth Beacham an.
    »Bringen Sie mir einen Abzug seines jüngsten Fotos«, regte Julian an. »Vielleicht kommt er ja eines Tages bei uns durch die Tür, wenn er das nicht schon getan hat. Drogen und Alkohol sind am Verschwinden von mehr als nur einem Menschen schuld.«
    »Das letzte Foto ist schon zwanzig Jahre alt«, gab ich zu bedenken.
    »Besser als nichts«, meinte er. »Ich zeige es im Wohnheim herum. Wenn Miss Beachams lange vermisster Bruder auf der Straße lebt, könnte ihn einer von den Männern hier erkennen.«
    »Wow!«, rief ich beeindruckt. »Das ist ja wie ein hauseigener Spionagering.«
    »Bettler sehen und hören viel mehr, als die Leute denken.« Julian hielt inne und schlürfte seinen Tee.
    Seine Miene wurde nachdenklich. »Ich kenne die St. Cuthbert Lane. Sie liegt in Father Musgroves Gemeinde. Das ist der Rektor von St. Paul’s in der Travertine Road.«

    »Ich hab den Turm von Miss Beachams

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