Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
romantischen Verwicklungen.« Er winkte dem Kellner und griff nach seiner Brieftasche.
»Hey!«, protestierte ich. »Das sollte doch auf meine Rechnung gehen!«
Ohne auf meinen Einwand zu achten, legte er seine Kreditkarte auf den Tisch.
»Betrachten Sie das als kleinen Beitrag zur Rückzahlung«, erklärte er. »Dafür, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, mein schuldbewusstes Gewissen zu erleichtern. Sollen wir mal fragen, ob Mr Mehta im Haus ist?«
10
MR MEHTA WAR ein untersetzter, kleiner Mann mittleren Alters, der zu einem eleganten schwarzen Anzug eine Fliege trug. Sein dichtes schwarzes Haar teilte ein straffer Linksscheitel, und auf seinem runden, pockennarbigen Gesicht bildeten sich lauter Falten, als er breit lächelnd auf uns zutrat.
»Mr Ashcroft!«, rief er und schüttelte Gabriel die Hand. »Wie schön, Sie wiederzusehen. Hoffentlich hat es Ihnen geschmeckt.«
»Es war wie immer wunderbar, Mr Mehta.«
»Und wer ist diese reizende junge Dame?«, erkundigte sich Mr Mehta und strahlte mich an.
»Meine Frau wird gern mehr über sie erfahren wollen.«
»Sie können Mrs Mehta berichten, dass diese reizende junge Dame eine glücklich verheiratete Mutter von Zwillingen ist«, klärte ihn Gabriel auf.
»Sie heißt Lori Shepherd und ist eine Freundin, nicht mehr.«
Mr Mehtas Lächeln gefror. »Meine Frau wird zutiefst enttäuscht sein. Sie macht sich Sorgen um Sie, Mr Ashcroft. Ein Mann wie Sie ist nicht dazu geschaffen, allein zu sein.«
»Ich bin übrigens auch eine Freundin von Julian Bright«, schaltete ich mich ein, in der Hoffnung, Mr Mehta abzulenken, bevor seine Bemerkungen noch persönlicher wurden.
»Eine Freundin von Father Bright?«, rief Mr Mehta. Er schenkte mir einen warmen Händedruck. »Was für eine Freude, Sie kennenzulernen, Ms Shepherd.«
»Bitte nennen Sie mich Lori.«
»Ganz wie Sie wünschen, Lori«, sagte Mr Mehta mit einer halben Verbeugung. »Es ist mir immer eine große Ehre, Freunde von Father Bright kennenzulernen. Er ist ein hochanständiger Mann und tut für die Armen viel Gutes.«
»Sie und Lori haben auch eine gemeinsame Freundin«, sagte Gabriel an Mr Mehta gewandt.
»Miss Beacham.«
Der Restaurantbesitzer schnappte nach Luft.
Sein Lächeln löste sich auf. Er sah erst Gabriel, dann mir ins Gesicht, ehe er einen Stuhl heranzog und sich zwischen uns setzte.
»Es ist erstaunlich, dass Sie Miss Beacham erwähnen«, sagte er leise. »Ich habe erst heute Morgen eine betrübliche Nachricht von ihrem Anwalt erhalten. Meine liebe Freundin ist vor drei Tagen verstorben.« Er wandte sich mir zu. »Woher kannten Sie sie, Lori?«
»Ich habe sie besucht, als sie im Krankenhaus war.«
»Ah.« Die traurige Miene zeigte Mr Mehtas Betroffenheit deutlicher, als Worte es vermocht hätten. »Auch Mrs Mehta und ich wären zu ihr gegangen, wenn wir gewusst hätten, dass sie krank war. Leider waren wir nicht bei ihr.« Er deutete eine weitere Verbeugung in meine Richtung an.
»Aber es erleichtert mich unendlich, zu wissen, dass wenigstens eine Freundin an ihrem Bett gesessen hat, als es aufs Ende zuging.«
Gabriel ließ mehrere Augenblicke verstreichen, ehe er das Gespräch wieder aufnahm. »Wir sind gebeten worden, Miss Beachams nächsten Angehö rigen zu suchen, Mr Mehta. Hat sie Ihnen je von ihrem Bruder erzählt?«
»Miss Beacham hat nie viel über sich geredet.
Sie war jemand, der zuhörte.« Mr Mehtas Augen nahmen einen abwesenden Ausdruck an. »Ich habe ihr viel über meine Familie hier in England und drüben in Indien erzählt. Sie war immer sehr interessiert und wollte alles über meine Verwandten wissen. Hin und wieder hat sie auch für mich und meine Familie einen Laib von ihrem wunderbaren Brot mitgebracht. Sagen Sie, Mr Ashcroft, haben Sie jemals Miss Beachams köstliches Rosinenbrot probiert?«
Gabriel schüttelte den Kopf. »Leider nein.«
»Schade. Es war köstlich, so herrlich saftig, so würzig.« Der Wirt blickte ihm ernst in die Augen, wie um sich vorab zu entschuldigen. »Sie waren von Anfang an ein gern gesehener Gast, Mr Ashcroft, aber Miss Beacham war eine liebe Freundin.
Wissen Sie, Mrs Mehta und mich hat man hier in der Travertine Road nie richtig angenommen, bis Miss Beacham kam.«
»Was hat sie getan?«, fragte ich.
»Sie hat ihre Freunde zum Essen mitgebracht und uns ihnen vorgestellt. Das waren Geschäftsleute wie wir. Und da ihre Läden in der Nähe waren, gab es viele Gemeinsamkeiten. Miss Beacham hatte eine wunderbare Art, Fremde
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