Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
miteinander ins Gespräch zu bringen und sich selbst dann zurückzuziehen, damit die Konversation sich ohne sie weiterentwickeln konnte. Miteinander sprechen ist der erste Schritt auf dem Weg zur Freundschaft, und Miss Beacham hat viele Freundschaften unter uns angebahnt.« Der Wirt musterte Gabriel. »Mrs Mehta und ich haben oft mit Miss Beacham über Sie gesprochen, als Ihre schreckliche Frau weggelaufen ist. Mrs Mehta und Miss Beacham wollten eine ordentliche Frau für Sie finden, sobald Ihre Wunden nach der Scheidung verheilt waren.«
Gabriel errötete bis zu den Haarwurzeln. »Wie
… aufmerksam«, brachte er hervor. »Ich wusste gar nicht, dass Miss Beacham … solchen Anteil an meinem Leben nahm.«
»Sie nahm Anteil an jedem Schicksal.« Plötzlich ließ Mr Mehta den Kopf sinken und schniefte.
»Heute Morgen habe ich ein Geschenk von ihr bekommen, und ich kann mich nicht einmal bei ihr bedanken.«
Ich beugte mich vor. »Was haben Sie von ihr bekommen?«
»Siebenhundert Pfund.« Mr Mehta stieß ein gedämpftes Stöhnen aus, und als er aufsah, glänzten seine Augen vor Tränen. »Sie sind für das neue Bein meines Bruders.«
»Wie bitte?« Ich glaubte, mich verhört zu haben.
Mr Mehta blinzelte mehrfach, rückte seine Fliege zurecht und räusperte sich. »Mein Bruder war Soldat. Vor fünf Jahren trat er auf eine Landmine und verlor ein Bein. Die Armee hat ihm zwar eine Prothese machen lassen, aber die taugt nichts. Und gute sind sehr teuer. Die siebenhundert Pfund, die Miss Beacham uns hinterlassen hat, sollen meinem Bruder ein neues Bein finanzieren helfen. Dank ihr wird er zum ersten Mal nach fünf Jahren wieder ohne Schmerzen gehen können. Und ich kann ihr nicht einmal die Hand schütteln.«
Ich holte tief Luft und ließ sie langsam entweichen. Mir hatte es die Sprache verschlagen, aber Gabriel nicht.
Er legte Mr Mehta eine Hand auf die Schulter.
»Es muss Miss Beacham große Freude bereitet haben, zu wissen, dass sie Ihrem Bruder helfen würde. Da brauchte sie Ihren Dank gar nicht zu hören.
Sie spürte, was Ihnen dieses Geschenk bedeuten würde.«
»Wahrscheinlich, ja.« Mr Mehta richtete sich auf. »Sagen Sie, wird es einen Trauergottesdienst geben?«
»Erst wenn wir ihren Bruder gefunden haben«, informierte ich ihn. »Er muss bestimmen, was mit ihrer sterblichen Hülle geschieht. Das ist einer von mehreren Gründen, warum wir hofften, von Ihnen mehr über ihn zu erfahren.«
»Ich wusste gar nicht, dass sie einen Bruder hatte«, bedauerte Mr Mehta. »Wie ich bereits sagte, sie war keine von denen, die viel Worte von sich machten. Bitte lassen Sie mich wissen, wann und wo der Gottesdienst abgehalten wird. Mrs Mehta und ich möchten gerne daran teilnehmen.«
»Das werden wir«, versprach ich.
»Vielen Dank, Lori.« Mr Mehta nahm Gabriels Kreditkarte, die immer noch auf dem Tisch lag, und gab sie ihm zurück. »Gestatten Sie mir, Sie heute einzuladen, Mr Ashcroft. Zum Gedenken an eine liebe Freundin.«
Als Gabriel und ich aus dem Restaurant traten, lief er sofort los, doch ich blieb tief in Gedanken versunken mitten auf dem Bürgersteig stehen.
»Was haben Sie?« Gabriel war umgekehrt und zog mich jetzt aus dem Strom der Passanten zur Seite. »Ich kann nicht empfehlen, in einer Menge einfach stehen zu bleiben, Lori.«
Ich musterte die abgehetzten Gesichter der Vorbeieilenden. »Ich hatte die Regeln für dicht bevölkerte Gehsteige ganz vergessen«, gestand ich mit einem verlegenen Lächeln. »In Finch gibt’s so was überhaupt nicht.«
»Im Moment sind Sie aber nicht in Finch.«
»Nein.« Ich betrachtete das bunte Restaurantschild. »Aber hier ist viel mehr genauso wie in Finch, als ich dachte. Mr Mehta ist das mit Miss Beacham wirklich zu Herzen gegangen. Und ich könnte mir vorstellen, dass seine Frau sie auch sehr mochte. Die beiden werden sie vermissen. Das hatte ich nicht erwartet.«
Ich hielt inne und warf Gabriel einen prüfenden Blick zu. Wie ich das sah, hatte auch er Dinge zu hören bekommen, mit denen er nicht gerechnet hatte. Andererseits kannte ich ihn noch nicht gut genug, um ihn zu fragen, wie schlimm seine Frau gewesen war. So begab ich mich lieber auf ein sicheres Terrain und wechselte das Thema: »Wissen Sie, für einen, der nicht gern plaudert, haben Sie sich da drinnen gut geschlagen. Ich hab fast nichts sagen müssen.«
»Mr Mehta ist eben locker«, wehrte Gabriel das Kompliment ab.
»Die meisten sind locker, wenn man sie lässt«, hielt ich ihm
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