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Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Titel: Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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ziemlich kurz, doch der strenge Schnitt betonte zusätzlich den langen Hals und die zarte Knochenstruktur. Ihre braunen Augen wirkten ungewöhnlich groß, und die blasse Haut war makellos.
    Ich spürte über den Tisch hinweg, wie Gabriel erbebte. Als der Oberkellner der Frau anbot, ihr den Umhang abzunehmen, bedankte sie sich mit weicher, rauchiger und doch auch etwas hoher, fast kindlicher Stimme. Ich erkannte darin auf Anhieb die Stimme der Mitarbeiterin wieder, die bei Pratchett & Moss ans Telefon gegangen war.
    Gabriel erhob sich, als sie sich unserer Nische näherte. Von einem inneren Auf jaulen, das ich ihm kurz zuvor unterstellt hatte, war nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil, er hatte den belämmerten Gesichtsausdruck eines Mannes, dessen Gehirn nur noch auf der elementarsten Stufe funktioniert. Das muss die Knochenstruktur sein, sagte ich mir verwundert. Der Porträtmaler hatte sich Hals über Kopf in ihre Wangenknochen verliebt.

    »Lori Shepherd«, stellte er vor, »das ist Joanna Quinn. Mrs Quinn arbeitet für Mr Moss.«
    Meine schlüpfrigen Überlegungen verpufften jäh.
    Mrs Quinn – die Schöne war also verheiratet.
    Gleichwohl brachte ich bei meinem »Guten Tag, sehr erfreut« ein tapferes Lächeln zuwege und rutschte einen Stuhl weiter, um ihr Platz zu machen. Wie schade, dachte ich. Da konnte Gabriel hecheln und zittern, so viel er wollte, aber das würde nichts daran ändern, dass die Frau mit den edlen Wangenkochen, die es geschafft hatte, sein vereistes Herz aufzutauen, nicht mehr zu haben war.
    »Verzeihen Sie mir bitte die Heimlichtuerei«, entschuldigte sie sich bei Gabriel, »aber das Woolery’s hat so große Fenster, und ich wollte nicht riskieren, von Mr Moss beobachtet zu werden. Er würde nicht billigen, dass ich mit Ihnen spreche.«
    »Er würde Sie doch nicht gleich feuern, oder?«, fragte Gabriel besorgt.
    »Möglich wäre das durchaus«, erwiderte sie.
    »Er war in letzter Zeit nicht mehr er selbst. Aber zur Not würde ich auf meinen Job und noch viel mehr verzichten, Hauptsache, ich könnte in Elizabeths Sinne helfen.«
    »Mrs Quinn hat mit Elizabeth Beacham zusammengearbeitet«, klärte mich Gabriel auf, ohne die Augen von Joanna zu wenden.

    »Wenn ich Sie Gabriel nennen soll«, sagte Joanna, offenbar in Bezug auf ihr vorangegangenes Gespräch im Büro, »dann müssen auch Sie mich mit meinem Vornamen ansprechen.«
    »Gern … Joanna.«
    Die Blicke der beiden waren tief ineinander verschränkt, als hätten sie ganz vergessen, was der goldene Ring an Joannas linker Hand bedeutete.
    Ich war die Letzte, die ihnen einen Vortrag über die strenge Interpretation des Ehegelübdes halten konnte – hatte ich es doch selbst gelegentlich recht großzügig ausgelegt –, doch ich wollte auch nicht, dass am Ende ein erzürnter Ehemann Gabriel die Rückkehr ins Reich der Liebenden verdarb. Eine sanfte Warnung erschien mir daher nicht fehl am Platze.
    Gabriel stierte den für unseren Tisch zuständigen Kellner, der gerade die Speisekarten verteilte, benommen an. »Ich möchte Lasagne«, erklärte er, ohne auch nur einen Blick in die Karte zu werfen.
    »Dasselbe für mich«, murmelte ich, obwohl ich keinen Hunger hatte.
    »Für mich auch«, sagte Joanna. »Aber lassen Sie sich ruhig Zeit. Wir haben es nicht eilig.«
    Der Kellner füllte unsere Wassergläser, sammelte die ungelesenen Speisekarten ein und verzog sich.

    »Wird Mr Moss Ihre Abwesenheit denn nicht bemerken?«, fragte ich in der Hoffnung, Joannas Aufmerksamkeit von Gabriel abzulenken.
    Joanna wandte sich nun tatsächlich mir zu. »Ich habe ihm gesagt, dass ich mir für einen Tag freinehmen muss. Eine dringende Familienangelegenheit.«
    »Eine Familienangelegenheit«, wiederholte ich, wobei ich den Bestandteil Familie stark betonte.
    »Mein Mann und ich können ein Lied davon singen. Bill und ich haben zwei Söhne, Will und Rob.
    Sie sind Zwillinge. Wie viele Kinder haben Sie?«
    »Eins. Eine Tochter. Chloe.«
    »Was für ein schöner Name, sie muss wunderschön sein«, murmelte der Mann, den erst vierundzwanzig Stunden zuvor bei der bloßen Vorstellung eines gemeinsamen Essens mit meinen doch wirklich bezaubernden Söhnen ein Schauder überlaufen hatte.
    Ich bedachte ihn mit einem finsteren Blick, der völlig unbemerkt blieb.
    »Will und Rob sind vor kurzem fünf geworden«, fuhr ich fort. »Wie alt ist Chloe?«
    »Auch fünf.« Joanna richtete einen vielsagenden Blick auf mich, als verstünde sie nur zu deutlich, warum ich auf dem

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