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Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Titel: Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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ereiferte ich mich.
    »Aber nicht gegenüber Mr Moss«, zischte Gabriel. »Hand aufs Herz, Lori: Würden Sie es fertigbringen, ihm gegenüberzustehen, ohne ihm Ihre Meinung um die Ohren zu knallen?«
    »Wenn Sie mir den Mund zukleben, ja«, knurrte ich.
    »Aber dann wären da immer noch Ihre mörderischen Blicke, die ihm das Gehirn zerkochen«, schmunzelte Gabriel. »Abgesehen davon haben Sie schon am Telefon mit ihm gesprochen. Sie haben eine markante Stimme und fallen sofort durch Ihren amerikanischen Akzent auf. Er würde Sie auf Anhieb erkennen, und nach Ihrer letzten Erfahrung mit ihm zu urteilen, würde er sich garantiert weigern, Ihnen auch nur ein Wort über Kenneth zu verraten. Mich dagegen hat er noch nie gesehen oder reden gehört. Ich bin für Mr Moss ein völlig unbeschriebenes Blatt. Insofern habe ich viel bessere Chancen, ihn zu überrumpeln, wenn ich allein losziehe. Ich werde mich als möglicher Mandant ausgeben, vielleicht als jemand, den Miss Beacham geschickt hat. Was davon genau, das kann ich ja spontan entscheiden.«
    Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und musterte ihn nachdenklich. »Ich hab ja ein richtiges Ungeheuer geschaffen. Heute Morgen konnten Sie sich noch nicht mal vorstellen, mit der Frau, die Ihnen die Zahnpasta verkauft, Smalltalk zu betreiben, und jetzt sind Sie bereit, es ganz allein mit Mr Moss aufzunehmen.«
    »Ich hatte eben eine hervorragende Lehrerin.
    Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden …«
    »Moment!«, rief ich und winkte ihn zurück auf seinen Stuhl. »Bevor Sie sich in die Höhle des Löwen wagen, muss ich Ihnen noch zwei Dinge sagen.«

    »Schießen Sie los.«
    »Erstens ist es höchste Zeit, dass wir uns duzen, und zweitens hätte Blinker für jemanden, der ihn nicht kennt, tatsächlich ein gefährlicher Irrer sein können und kein harmloser Spinner. Aber du hast dich so oder so auf ihn gestürzt, um mich zu beschützen. Ich hätte mich viel früher bei dir bedanken sollen, aber Blinkers Nachricht hat mich abgelenkt. Also, damit du’s offiziell weißt: Danke.«
    »Es war mir ein Vergnügen.« Gabriels graue Augen leuchteten auf. »Ganz ehrlich. Ich hab das richtig genossen. Ich hab noch nie jemanden gerettet. Eine prickelnde Erfahrung!« Er stand auf.
    »Aber jetzt muss ich los. Drücken Sie … drück mir die Daumen!«
    Als Gabriel das Café verließ, ertappte ich mich dabei, wie ich diesem Märchenprinzen schon insgeheim die Krone aufsetzte. »Armer Mr Moss«, flüsterte ich. »Er wird sein blaues Wunder erleben.«
    Aufmerksam verfolgte ich, wie Gabriel die Stra ße überquerte, die Stufen zur Eingangstür erklomm und die Geschäftsräume der Kanzlei Pratchett & Moss betrat. Unwillkürlich musste ich über mich selbst lachen, als ich merkte, dass ich die Ohren gespitzt hatte, wie um allein kraft meines Willens mitzuhören, was hinter den cremefarbenen Mauern gesagt wurde.

    Was immer sein Inhalt war, lange dauerte das Gespräch nicht. Nach weniger als zehn Minuten ging das grüne Portal wieder auf, und Gabriel kam die Treppe heruntergejagt, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Er schlängelte sich furchtlos durch den dichten Verkehr, stürmte ins Café und beugte sich Sekunden später keuchend über mich.
    »Ich erklär dir gleich alles«, flüsterte er eindringlich. »Aber erst müssen wir weg von hier. Sofort !«
    Ich musste laufen, um mit ihm Schritt zu halten, als er aus dem Café eilte und mich zu einem teuer aussehenden Restaurant um die Ecke führte.
    »Da rein«, befahl er und zog mich in den dezent beleuchteten Speisesaal.
    Als der Oberkellner uns unsere Mäntel abnahm, informierte ihn Gabriel, dass wir eine ruhige Nische möglichst weit hinten benötigten und sich bald noch jemand zu uns setzen würde. Sobald uns der Ober zu unserem Tisch geführt hatte, platzierte sich Gabriel so, dass er den Eingang im Auge hatte, während ich mich mit dem Rücken zur Tür setzte.
    »Was ist denn los?«, wollte ich wissen.
    »Wirst du gleich erfahren«, antwortete er, ohne den Blick von der Tür zu wenden.
    Und dann schnappte er nach Luft. Ich verrenkte mir schier den Hals und sah eine Frau auf die Garderobe zusteuern. Über einer grauen Kombination aus Rock und Jackett trug sie ein formloses Regencape, doch die schlichte Kleidung vermochte weder ihre schlanke Figur noch ihre natürliche Würde zu verbergen. Wie eine Ballerina, den Kopf gereckt, die Schultern gestrafft, setzte sie einen Fuß anmutig vor den anderen. Ihr dunkles, glattes Haar war

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