Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
Gabriels Wohnung müsste das eigentlich klappen.« Ich grinste. »Miss Beacham hat ihm ja eine gute Frau gewünscht, Dimity. Sie würde sich diebisch freuen, wenn sie wüsste, dass ich ihre Möbel benutze, um Joanna anzulocken. Sie hat Joanna gemocht. Mit meinen heimlichen Machenschaften wäre sie voll und ganz einverstanden gewesen.«
Sie hätte sich mit stehenden Ovationen bei dir bedankt , meine Liebe . Auch sie gehörte ja dem Stamm der Ehestifter an . Konntest du deinen philanthropischen Drang wenigstens so weit zügeln , dass du auch was für dich ausgesucht hast?
»Ich habe das Sheraton-Zylinder-Pult und drei Kisten mit Büchern heimgebracht. Aber die erste Nacht verbringen sie im Rover. Ich habe zu viele Sehnen strapaziert, um heute noch was heben zu können, das schwerer ist als Reginald.«
Ich möchte dich daran erinnern , dass du bereits Miss Beachams Fotoalbum und Hamish in deinem Besitz hast .
»Stimmt«, antwortete ich. »Aber die behalte ich nicht. Ich habe die Absicht, beides dem rechtmäßigen Eigentümer zukommen zu lassen.«
Du klingst ja unerwartet hoffnungsvoll .
»Wir sind dicht an Kenneth dran. Ich kann ihn förmlich riechen. Dimity, ich habe nicht den ganzen Tag mit Möbelschleppen verbracht. Ich habe dir noch gar nicht von Mrs Pollard erzählt.«
Mrs Pollard , wer immer das auch ist , kann bis zum Morgen warten . Das heißt , bis zum richtigen Morgen . Deine Stimme klingt schon wie ein Reibeisen , meine Liebe . Geh ins Bett , bevor du mir im Sitzen einschläfst .
Bill brachte ich beim Frühstück auf den neuesten Stand, als er schon auf dem Sprung zur Arbeit war.
Er nahm Miss Beachams Brief mit ins Büro und forderte mich auf, ihn über jeden Anruf von Pratchett & Moss in Kenntnis zu setzen. Dankbar verneigte ich mich vor seinem Urteilsvermögen. Mein Mann war in der Tat viel besser für den Umgang mit den Mr Moss dieser Welt geeignet als ich.
Annelise brachte die Zwillinge nach Anscombe Manor, damit sie Thunder und Storm besser kennenlernen konnten, und ich weichte meine schmerzenden Glieder eine halbe Stunde lang in einem dampfenden Bad ein, ehe ich ins Büro zurückkehrte, um mein Gespräch mit Tante Dimity fortzusetzen.
Dimity war von meiner Begegnung mit Beryl Pollard fasziniert und verlangte nicht nur eine ausführliche Schilderung ihres alkoholseligen Gefasels, sondern auch eine genaue Beschreibung des Wintergartens, des Gartens und der übrigen Anwesen in der Crestmore Crescent. Als ich zu Ende erzählt hatte, begann sogleich die königsblaue Schrift in der gewohnten Weise über die Seite zu fließen.
Ja , jetzt habe ich ein Bild davon . Wie vertraut es mir doch ist . Als ich damals Geld für die Westwood-Stiftung sammelte , empfand ich solche Gemeinschaften als unschätzbar wertvoll .
Tante Dimity hatte die Westwood-Stiftung lange vor meiner Geburt als Dachgesellschaft für ein weit verzweigtes Netz von Wohltätigkeitsinitiativen gegründet. Und die Stiftung existierte immer noch.
Genauer gesagt, jetzt war ich ihre Schirmherrin.
»Wie kann eine Gegend wie die Crestmore Crescent für jemanden wie dich von unschätzbarem Wert sein?«, fragte ich erstaunt.
Deiner Beschreibung nach lebt dort eine Gemeinschaft von Aufsteigern , die schon die Hand nach der nächsten Sprosse der gesellschaftlichen Leiter ausstrecken . Einen Weg nach oben weisen neben beruflichem Erfolg aber auch die Wohltätigkeitsvereine . Dieselben Frauen , die sich weigern , einem Straßenjungen fünf Pence zu geben , stürzen sich auf jede Gelegenheit , zu einer prestigeträchtigen Veranstaltung für einen guten Zweck einladen zu dürfen .
»Klingt ganz nach Kenneths Frau«, sagte ich.
»Das Gesellschaftsleben in der Crestmore Crescent schien sich ganz um Dorothy Beacham zu drehen, und die Veranstaltungen, die sie organisiert hat, müssen mit einem ziemlichen Prestige verbunden gewesen sein. Jedenfalls glaubt Mrs Pollard offenbar, dass ›die richtigen Leute‹ hingegangen sind.«
Ah ja , die richtigen Leute . Darum dreht sich in den Augen dieser Frauen die Wohltätigkeit – die richtigen Leute zu treffen , die richtigen Kontakte zu knüpfen , den eigenen Namen in den richtigen Zeitungen zu lesen . Dass sie den Hungrigen Nahrung verschaffen oder den Wohnungslosen ein Obdach , spielt da nur eine Nebenrolle .
»Dorothy hat ihren Namen aber nicht in den Zeitungen untergebracht«, gab ich zu bedenken.
Wie bitte ?
»Bei Emmas Recherche im Internet ist Dorothys Name nirgendwo aufgetaucht. Zumindest
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