Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
wollte im Pub von Finch nur schnell eine Kleinigkeit zu sich nehmen. Ich machte ihm den Mund mit ein paar vagen Andeutungen über Emmas Erkenntnisse wässrig, dann ging ich in die Küche, um eine Gemüsesuppe aus dem Gefrierschrank zu nehmen und ein Hähnchen ins Rohr zu schieben.
Als ich im Wohnzimmer saß und in Emmas Ausdrucken schmökerte, wehte schon der köstliche Duft nach Brathähnchen durchs Haus. Gerade hatte ich mich in einen Artikel über eine Kostümparty vertieft, die Dorothy im Ballsaal des Randolph Hotel gegeben hatte, als mein Handy zirpte. Ich lief in den Flur, zog es aus der Umhängetasche und holte tief Luft. Auf dem Display stand nämlich Mr Moss’ Nummer.
»Guten Tag, Ms Shepherd«, sagte er freundlich.
»Hallo, Mr Moss.«
»Ich habe eine etwas verblüffende Mitteilung von einem der Herren erhalten, die den Auftrag haben, Miss Beachams Möbel ins Auktionshaus zu schaffen.« Mr Moss hielt inne. Da ich schwieg, fuhr er nach einer Pause fort. »Er hat mich darüber informiert, dass der Nachlass meiner verstorbenen Mandantin in einem alarmierenden Ausmaß geschrumpft ist. Nun wollte ich Sie fragen, ob Sie zur Klärung der Situation beitragen können.«
»Da kann Ihnen am besten mein Mann weiterhelfen, Mr Moss«, sagte ich und gab ihm Bills Telefonnummer im Büro.
»Ich verstehe.« Mr Moss seufzte. »Und Sie haben mir sonst nichts zu sagen?«
»Wenden Sie sich einfach an meinen Mann. Auf Wiederhören, Mr Moss.«
Ich beendete das Gespräch und rief sofort Bill an, um ihn zu warnen, dass Mr Moss auf dem Kriegspfad war, und ihm viel Glück zu wünschen, obwohl ich wusste, dass er das gar nicht nötig haben würde. Kaum hatte ich das Handy wieder in der Tasche verstaut, als die Türglocke Gabriels Ankunft meldete. Ich machte auf und sah ihn unschlüssig auf halbem Weg zwischen den Verandastufen und der Auffahrt stehen.
»Komm aus dem Regen in die warme Stube!«, rief ich.
Gabriel stürmte die drei Stufen zu mir herauf, blieb dann unvermittelt stehen und steckte mit einem nervösen Räuspern die Hände in die Taschen.
»Äh, die Sache ist die … ich hatte bei der Fahrt zu dir raus einen Hintergedanken …«
»Oh?«
»Ja.« Er blickte über die Schulter zu seinem Wagen, dann sah er wieder mich an. »Weißt du, ich habe Joanna für heute Abend zu mir zum Essen eingeladen.«
Das ging ja schnell, dachte ich. Laut sagte ich:
»Hoffentlich findet sie so kurzfristig einen Babysitter für Chloe.«
»Chloe kommt mit. Ich hab die Zeichnung, die Joanna so gut gefallen hat, eingerahmt und wollte sie Chloe heute Abend als Erinnerung an ihren ersten Ritt auf einem Pony schenken.«
Am liebsten hätte ich aus Freude über die geglückte Verkuppelung die geballte Faust in die Hö he gereckt und »Jaaaaa!« geschrien, doch ich riss mich zusammen und sagte ganz beiläufig: »Damit ist das Problem mit dem Babysitter gelöst.«
»Stimmt, aber ein anderes Problem leider nicht.« Gabriel holte tief Luft und streckte mir flehend beide Hände entgegen. »Ich weiß selbst, dass das eine Zumutung ist, Lori, aber wäre es möglich, dass du Stanley für eine Nacht bei dir aufnimmst? Er mag dich gern, und ich kann doch Joanna während des ganzen Essens nicht in einem fort niesen lassen. Ich hab auch alles mitgebracht, was du brauchst. Er ist ein lieber Kerl, wie du selbst weißt, und ich glaube offen gesagt nicht, dass du viel von ihm sehen wirst. Er hat sich von gestern Abend noch nicht richtig erholt. Wahrscheinlich wird er sich in einen ruhigen Winkel verkriechen. Du wirst kaum mitbekommen, dass er überhaupt da ist.«
»Du willst, dass ich Stanley nehme?«, fragte ich benommen.
»Nur diese eine Nacht. Morgen früh hole ich ihn wieder ab.«
Gabriel mochte vielleicht glauben, dass er die Wahrheit sagte, doch ich wusste es besser. Angesichts Joannas Allergie würde er nicht um eine Entscheidung herumkommen. Auch wenn er Stanley morgen wieder abholte, musste er für seinen süßen Kater eine neue Heimat finden.
Unvermittelt hörte ich Miss Beachams Worte wieder, und sie klangen so deutlich, als flüsterte sie sie mir ins Ohr. Meine Wohnung hat keinen Garten , verstehen Sie , und ich glaube nicht , dass eine Katze wirklich glücklich ist , wenn sie nicht raus ins Freie kann . Ich hatte einen Garten, eine Wiese und einen Wald und zwei kleine Jungen, die schon dafür sorgen würden, dass Stanley sich nie einsam fühlte.
Bill mochte Katzen, und auch wenn wir nie darüber gesprochen hatten, uns eine zuzulegen,
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