Tante Dimity und die unheilvolle Insel
besichtigten die übrigen Gäs-tesuiten, die sich in den anderen Türmen befanden. Während wir so von Raum zu Raum wanderten, erzählte Percy unermüdlich von den Verbesserungen, die er auf der Burg vorgenommen hatte, und von den Leistungen der Ingenieure, die diese Verbesserungen ermöglicht hatten.
So faszinierend die Tour war, vermochte ich am Ende ein schales Gefühl nicht ganz zu unterdrücken. Räume, die nicht unmittelbar benötigt wurden, waren mit Tüchern verhängt und ihre Kamine leer und kalt. Die Korridore schienen sich bis ins Endlose zu erstrecken, und die dicken Mauern dämpften sogar Percys überlaute Stimme. Eine knappe Handvoll Gäste genügte einfach nicht, um ein Haus zu füllen, das für Dutzende Bewohner gebaut war, und zwölf Bedienstete waren viel zu wenig, um alles in Schuss zu halten. Während unsere Schritte in den Treppen-fluchten verhallten, fragte ich mich, ob die Burg als Zuflucht wirklich so sicher war, wie sie am Anfang gewirkt hatte. Es mochte Abaddon vielleicht schwerfallen, durch das Tor einzudringen, aber wenn er erst mal drinnen war, würde er Verstecke in rauen Mengen finden.
Dann warf ich Damian einen Seitenblick zu und fühlte mich gleich etwas besser. Er war zweifellos ein humorloser, paranoider kalter Fisch von einem Mann, wie ich noch keinen gesehen hatte, aber trotzdem tat es ungemein gut zu wissen, dass er auf mich aufpasste.
7
NACH DER AUSGIEBIGEN Burgbesichtigung war ich froh, dass ich bequeme Schuhe angezogen hatte. Wir trafen Andrew, Will und Rob im Salon zum Tee. Der Tisch bog sich unter den Kuchen und Sandwiches, die Cook für uns bereitgestellt hatte. Ein Blick darauf genügte, um mich in meinem Entschluss zu bestätigen, dass es zugleich auch das Abendessen der Zwillinge sein würde. Sie waren von ihrer neuen Umgebung viel zu fasziniert gewesen, um ihr Mittagsschläfchen zu halten, sodass sie heute wohl etwas früher ins Bett gehen würden.
Nachdem sie sich den Bauch vollgeschlagen und mir bis ins kleinste Detail von ihrem aufregenden Nachmittag erzählt hatten, kehrte ich mit ihnen ins Kinderzimmer zurück, zeigte ihnen auf dem Weg dorthin aber noch die Kornblumensuite. Sie sollten wissen, wo sie mich fanden, falls sie in der Nacht Heimweh befiel.
Damian blieb im Salon zurück, während Andrew mir dabei half, die Jungs zu waschen, für die Nacht anzuziehen und ins Bett zu stecken. Ihre Fragen nach Daddy, Annelise, Stanley, Thunder und Storm beantwortete ich, so gut ich konnte.
Danach hörte ich aufmerksam zu, als sie mir abwechselnd ein Kapitel aus Der schwarze Hengst vorlasen, und blieb bei ihnen sitzen, bis sie einschliefen.
Als ich mich bei Andrew dafür bedankte, dass er so gut für sie gesorgt hatte, wehrte er bescheiden ab und schwärmte seinerseits von der guten Erziehung, die sie von mir bekommen hatten.
»Das sind tolle Burschen«, sagte er. »Blitzgescheit, richtige Goldstücke.«
Andrew Ross, schloss ich daraus, war ein junger Mann von enormer Menschenkenntnis.
Gegen halb sieben kehrten Damian und ich in die Kornblumensuite zurück. Als ich gerade das Foyer zum Wohnzimmer durchquerte, läutete Damians Handy. Er nahm ab, murmelte ein paar knappe Worte und reichte mir das Gerät.
»Ihr Mann.«
Ich riss ihm das Handy aus der Hand, rannte ins Wohnzimmer und warf die Tür hinter mir zu.
»Oh, Bill!«, rief ich und ließ mich in den weichen Sessel fallen. »Wenn ich gewusst hätte, dass du anrufst, hätte ich die Zwillinge aufbleiben lassen. Sie sind vor fünf Minuten eingeschlafen.«
»Weck sie nicht«, sagte er. »Sie sind bestimmt hundemüde.«
»Von wo rufst du an?«, wollte ich wissen.
»Chief Superintendent Yarborough ist es lieber, wenn ich dir das nicht sage. Aber da, wo ich bin, ist es recht bequem.«
»Gut. Gibt es Fortschritte in … dem Fall?«
»Noch nicht. Yarborough und ich haben heute die Akten von etwa zwanzig Mandanten geprüft, aber auf irgendwelche verdächtigen Gestalten sind wir dabei nicht gestoßen. Bitte sag mir, dass die Jungs jede Menge Spaß haben und du auch. Ich brauche die Gewissheit, dass wenigstens ein Teil von meinem Plan klappt.«
Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, ihm alles zu erzählen: von dem Flug mit dem Hubschrauber, dem Kinderzimmer, dem vorzüglichen Essen, der großen Tour durch die Burg.
Darüber hinaus berichtete ich ihm von Damian und Andrew, aber die waren nichts Neues für ihn.
»Ich hatte Percy gebeten, Leibwächter für euch anzuheuern«, informierte er mich. »Wir haben
Weitere Kostenlose Bücher