Tante Dimity und die unheilvolle Insel
gelaufen bin? Also, der Bursche hat für sein Leben gern gesungen, und …«
Als wenig später die Lichter wieder angingen, wischte ich mir die Lachtränen aus dem Gesicht.
Nach dem Essen lud mich Percy ein, einen Film mit ihm anzuschauen – »Eine leichte Komödie, Ehrenwort!« –, doch ich gab ihm einen Korb und kehrte mit Damian zur Kornblumensuite zurück. Während mein Leibwächter seinen Posten im Foyer bezog, trat ich allein in die Suite, wo das Bett gewendet, Licht gemacht und im Kamin Holz und getrockneter Torf aufgeschichtet worden waren. Auf dem Sims stand eine Porzellandose mit edlen Streichholzbriefen, sodass ich das Feuer nur noch anzuzünden brauchte.
Ich entfachte ein Zündholz und hielt es an die Holzspäne. Bald flackerten fröhlich die Flammen, und ich beschloss, auf den Balkon hinauszugehen. Obwohl es bald Mitternacht war, wollte ich vor dem Zubettgehen Tante Dimity auf den neuesten Stand bringen, und dazu musste ich meine Gedanken sammeln. Außerdem hatte Percy meine Neugierde geweckt. Ich wollte wissen, ob der Nachthimmel wirklich hielt, was mir versprochen worden war.
Nun, er war all das und noch viel mehr. Ich hatte immer gedacht, der Himmel über unserem Cottage wäre kristallklar, aber im Vergleich zu dem, was sich mir über Erinskil bot, war er geradezu trübe. Noch nie hatte ich so viele Sterne gesehen. Das All war mit Millionen leuchtenden Stecknadelköpfen übersät, und jeder einzelne davon spiegelte sich in den rastlosen Wellen des Meeres. Dagegen kam selbst der wächserne Mond nicht an. In Ehrfurcht und Entzücken verloren, starrte ich mit offenem Mund hinaus und spürte nicht einmal, wie kalt die Nachtluft war.
Mir war, als stünde ich in einer mit glitzernden Lichtern gefüllten Schneekugel. Konnte es eine perfektere Stelle geben, um Will und Rob die Sternenkonstellationen zu lehren?
Der Gedanke an meine Kinder holte mich ins Hier und Jetzt zurück. Ich verharrte noch einen Moment, dann trat ich ins Warme und klopfte an die Tür zum Foyer.
»Herein!«, rief Damian.
Er war immer noch auf und beobachtete die über den Monitor seines Laptops flackernden Bilder der Türen und Durchgänge von Dundrillin.
»Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich störe«, begann ich, »aber kennen Sie sich mit den Sternenkonstellationen aus?«
Einen Augenblick später standen wir auf dem Balkon, und Damian zeigte mir alle möglichen Formationen, die am Sternenhimmel prangten: Cassiopeia, Orion, Taurus, Gemini – er hätte noch viel länger fortfahren können, wenn ich ihn nicht unterbrochen hätte.
»Großer Gott!«, lachte ich. »Na, ich denke, für heute genügt das erst mal.« Ich lehnte mich gegen die steinerne Brüstung und senkte den Blick, bis er auf die dunklen Konturen von Cieran’s Chapel fiel. »Normalerweise finde ich mich am Nachthimmel zurecht, aber hier bin ich hoffnungslos überfordert.«
Damian blinzelte nach oben. »Zu viele Sterne.
Da sind die Konstellationen trotz oder vielmehr gerade wegen bester Sicht verborgen.« Er schien es nicht eilig damit zu haben, ins Innere zurückzukehren. Nun, verdenken konnte ich ihm das nicht. Wer wollte schon in einem fensterlosen Raum hocken, wenn es solche Reichtümer zu bewundern gab?
»Wie lange sind Sie schon Leibwächter?«, fragte ich ihn unvermittelt.
»Zwanzig Jahre.« Er stützte sich mit den Händen auf die Brüstung und schaute aufs Meer hinaus. »Im Vergleich zu vielen Kollegen bin ich ein alter Mann.«
»Ich würde sagen, dass älter zu werden in Ihrer Branche eindeutig ein Vorzug ist. Es beweist immerhin, dass Sie gute Arbeit leisten.«
»Nein.« Er schüttelte entschieden den Kopf.
»Wenn meine Klienten älter werden, ist das ein Beweis für gute Arbeit.«
Ich gab mich mit einem nachdenklichen Lä cheln geschlagen und wechselte das Thema.
»Wie haben Sie Percy kennengelernt?«
»Er hat mich angestellt«, meinte Damian achselzuckend. »Durch das Ölgeschäft hat es ihn in einige obskure Ecken der Welt verschlagen. Ich habe ihm hin und wieder aus der Klemme geholfen.«
»Klingt ganz nach James Bond. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie eine Art waschechter Action-Held sind?«
Damians silbrige Augen blitzten gefährlich auf. »Das Letzte, was ich sein will, ist ein Held.
Ich will nicht gezwungen sein, das zu tun, was ich am besten kann. Ich tue alles, was in meiner Macht steht, um dafür zu sorgen, dass das nicht nötig wird.«
»Das … äh … ist wohl auch gut so«, stammelte ich, von seinem plötzlichen
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