Tante Dimity und die unheilvolle Insel
Insel vor Erinskil, die Cieran’s Chapel genannt wird …«
Ich nickte. »Ja, wir kennen sie.«
Cassie beugte sich vor. »Als wir vorgestern Abend auf dem Küstenpfad waren und uns die Sterne angeschaut haben, ist uns ein Licht aufgefallen … eigentlich waren es mehrere. Es war nicht mehr als ein mattes Flackern, aber irgendwie kam uns das merkwürdig vor.«
Ich sah Damian triumphierend an. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass dort ein Licht war.«
»Sie haben auch was gesehen?«, fragte Cassie.
»Ja. Aber es war nur ein kurzes Aufleuchten.«
»Um wie viel Uhr habt ihr die Lichter bemerkt, Cassie?«, wollte Damian wissen.
»Zwischen halb zwölf und Mitternacht. Darum fanden wir das ja so merkwürdig. Gleich am ersten Abend hatte Mrs Muggoch uns eine absurde Legende vom Geist eines Mönchs erzählt, der Chapel bis heute heimsuchen soll. Sie schien daran zu glauben – im Gegensatz zu uns natürlich. Trotzdem konnten wir uns nicht erklären, warum sich dort draußen jemand noch so spät rumtreiben sollte.«
Damian starrte Cassie eindringlich in die Augen. »Habt ihr dieses Licht Mrs Muggoch gegenüber erwähnt?«
»Ganz bestimmt nicht. Peter und ich wollen schließlich keine Aufmerksamkeit auf uns lenken. Und nachdem wir das Ganze überschlafen hatten, hat uns am nächsten Morgen gedämmert, dass dasselbe auch für den-oder diejenigen gelten könnte, die auf Cieran’s Chapel waren.«
»Cassie glaubt, dass das Schmuggler waren, die eine Drogenlieferung umschlugen«, sagte Peter. »Und ich sehe das genauso.«
»Rauschgiftschmuggler!«, rief ich entsetzt.
»Das kann doch nicht euer Ernst sein!«
»Es ist unser voller Ernst«, beharrte Peter.
»Die Inseln vor der Westküste sind eine Hochburg des Drogenschmuggels. Ich habe schon einige Reportagen darüber gelesen. Schmuggler laden Drogenlieferungen an abgelegenen Orten ab, und Einheimische bringen die Fracht zum Festland, wo sie in den illegalen Handel gelangt.
Du musst doch zugeben, dass Cieran’s Chapel ein nützlicher Transitstandort wäre.«
»Ein äußerst nützlicher«, murmelte Damian.
Ungläubig blickte ich von einem Gesicht zum anderen. »Ihr glaubt, dass Einheimische daran beteiligt sind?«
»Leider sieht es ganz danach aus«, sagte Cassie. »Kein Fremder könnte Chapel ohne Wissen und Hilfe der Leute hier benutzen.«
Ich öffnete den Mund zum Widerspruch, schloss ihn aber wieder. Alles in mir wehrte sich gegen die Vorstellung, dass illegaler Drogenhandel Percys kleines Paradies befleckte, aber womöglich war es dennoch wahr. Die Offenbarungen der letzten Nacht fielen mir wieder ein, und plötzlich bekam ich ein flaues Gefühl in der Magengrube.
Zielten mein eigener Verdacht und Cassies Vermutung denn nicht in dieselbe Richtung?
Und dann kehrten Tante Dimitys Worte so deutlich zurück, dass ich ihre Schrift fast vor mir in der Luft stehen sah: Wenn man verhindern will , dass jemand einen bestimmten Ort aufsucht , schreckt man ihn ab . Für Zufallsbesucher war Erinskil so gut wie unzugänglich, und die wenigen Touristen, die sich hierher verirrten, ließen sich mit Hilfe der Gespenstergeschichten über Bruder Cieran von dem Felsen fernhalten.
Es war sehr wohl denkbar, dass die Einheimischen eine Kampagne gegen den Tourismus angezettelt hatten, damit sie niemand bei ihren Schmuggelgeschäften störte.
»Das braucht dich nicht zu schockieren, Lori«, meinte Peter. »Schmuggel ist auf den Inseln eine traditionelle Einkunftsquelle. Und Drogen sind nur die neueste – und lukrativste – Konterbande.«
»Aber sie brauchen doch kein Geld von Rauschgiftdealern«, protestierte ich matt. »Percy hat uns erzählt, dass die Einheimischen einer Genossenschaft angehören, die Tweed herstellt und vertreibt. Vom Verkauf hochwertigen Tweeds können sie gut leben.«
» Tweed? «, fragte Peter ungläubig. Er und Cassie wechselten einen Blick, dann sprangen sie auf und hängten sich ihre Rucksäcke über die Schultern. »Komm mit, Lori. Es gibt hier ein paar Dinge, die wir dir und Damian gerne zeigen möchten.«
12
PETER UND CASSIE kletterten den mit Felsbrocken übersäten Hügel über unserem Aussichtspunkt hinauf. Damian und ich folgten. Es war kein langer Aufstieg, doch der Hügel war steil, sodass ich bald gehörig ins Schwitzen kam. Ich hielt kurz an, um die Regenjacke zu öffnen, dann eilte ich den anderen hinterher. Sie hatten die Kuppe bereits überquert und standen knapp darunter in ihrem Windschatten, den Blick nach Osten gerichtet.
Die dem
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