Tante Dimity und die unheilvolle Insel
zu. »Mit seiner Fischfangflotte hält sich Erinskil also nicht über Wasser.«
»Alasdair Murdochs Fang landet jedenfalls nicht in einem Edinburgher Restaurant«, fügte Peter hinzu. »Er kommt auf die Teller der Einheimischen oder als Vorrat – wieder für die Einheimischen – in Alasdairs Tiefkühltruhe.«
»Was für ein Glück sie doch haben«, murmelte ich.
»Erstaunlich viel Glück«, bestätigte Peter, dessen Blick nun über das Dorf schweifte. »Wir kommen jetzt endlich auf Stoneywell zu sprechen. Ich muss euch bitten, es nicht mit den Ferngläsern abzusuchen. Schließlich studieren wir Vögel und nicht Gebäude. Apropos, es wäre eine gute Idee, wenn ihr eure Feldstecher hin und wieder auf den Himmel richten würdet, falls ein Dorfbewohner uns zufällig hier oben bemerken sollte.«
Damian grinste. »Damit eure Tarnung gewahrt bleibt.« Er griff sogleich nach einem Naturführer und blätterte ihn durch.
»Ich wünschte mir allerdings, unsere Führung könnte auch einen Spaziergang durchs Dorf umfassen.« Auf Peters glatter Stirn bildeten sich leichte Sorgenfalten. »Aber ich glaube, wir sollten uns hier wirklich bedeckt halten. Die Leute sollen uns auch weiterhin für harmlose Vogelkundler halten. Es geht um persönliche Sicherheit und noch ein paar andere Dinge.«
»Hast du Angst vor den Paparazzi?«, fragte ich.
Peter schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt.
Aber eine gesunde Furcht vor Rauschgiftschiebern. Die sind nicht für zimperliche Umgangsformen bekannt. Falls sie uns verdächtigen, in ihren Geschäften rumzuschnüffeln, könnten sie äußerst unfreundlich werden.« Er hob unvermittelt die Hand gen Himmel. »Nehmt also bitte eure Ferngläser und richtet sie auf den Schwarm Dreizehenmöwen, der gerade über uns hinwegfliegt.«
Mit vor Nervosität zitternden Händen verfolgte ich den Flug des Schwarmes. »Peter«, sagte ich dann aus dem Mundwinkel, »vielleicht solltest du mit Cassie lieber in die Burg ziehen. Percy wird bestimmt nichts dagegen haben. Und wenn dein Verdacht gegen die Leute hier zutrifft, seid ihr vielleicht schon in Gefahr. Ihr wart wirklich schrecklich neugierig.«
»Wir waren aber auch entzückend naiv«, erwiderte Peter mit einem leichtherzigen Lachen.
»Niemand verdächtigt uns, mehr zu sein als neugierige junge Leute – bisher. Wir haben nicht vor, unsere Karten auszureizen.«
»Ein kluger Vorsatz«, sagte Damian leise.
»Aber behaltet Loris Einladung im Hinterkopf.
Kommt nach Dundrillin, sobald ihr euch irgendwie bedroht fühlt.«
Cassie lächelte ihn an. »Danke.«
»Und jetzt ein Wort zu Stoneywell …« Peter beugte sich über seine Karte, als wollte er sie studieren. »Ist euch irgendwas am Dorf aufgefallen, als ihr gestern dort wart?«
»Mir ist aufgefallen, dass es nass war«, gab ich zur Antwort. »Sehr, sehr nass.«
»Na ja, zu Rundgängen hat das Wetter nicht eingeladen«, räumte Peter ein. »Wenn es schöner gewesen wäre, hättet ihr vielleicht ein paar ungewöhnliche Dinge bemerkt …«
Hätte ich nicht schon seit sieben Jahren in Finch gelebt, wären mir Peters ›ungewöhnliche Dinge‹ vielleicht gar nicht so ungewöhnlich erschienen. Doch je länger er redete, desto klarer wurde mir, dass Stoneywell kein gewöhnliches Dorf war.
Der Dorfladen von Finch war selbst für die Verhältnisse einer Kleinstadt gut bestückt, wenn sich auch die Feinkostabteilung auf ein paar verstaubte Dosen Fischpaste beschränkte.
Im Gegensatz dazu versorgte das Geschäft in Stoneywell die Inselbewohner sowohl mit dem elementaren Sortiment als auch mit frisch gemahlenem Kaffee, einer reichen Palette an Kä sesorten und Pastete und einer interessanten Auswahl an französischen und einheimischen Weinsorten. Mr Muggoch, der zusammen mit seiner Frau neben dem Pub auch eine kleine Bä ckerei betrieb, backte Croissants und Brioches, aber auch traditionelles schottisches Brot und Gebäck.
»Finch hat keine Bäckerei«, brummelte ich.
»Stimmt«, sagte Peter. »Es hat auch keinen im Ort ansässigen Arzt, mit einer mit allen Schikanen ausgestatteten Praxis. Stoneywell bietet das aber. Dr. Gordon Tighe ist in Stoneywell geboren und aufgewachsen. Er hat die Praxis gleich nach der Approbation eröffnet.«
»Von den anderen Inseln, die wir besucht haben, hat keine eine vergleichbare Praxis vorzuweisen«, merkte Cassie an. »Dr. Tighe kann fast jeden medizinischen Notfall behandeln. Nur die schwersten Fälle müssen aufs Festland gebracht werden.«
Peter reichte mir die
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