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Tante Dimity und die unheilvolle Insel

Tante Dimity und die unheilvolle Insel

Titel: Tante Dimity und die unheilvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Schritt.
    Zu meiner endlosen Erleichterung stießen wir schließlich auf einen von Schafen geschaffenen Wildwechsel, wo das Gras spärlich und das Gelände nicht ganz so tückisch war. Von da an konnten wir dem schmalen Pfad folgen, bis er eine Kurve zur anderen Seite des Hügels beschrieb und in ebenes Gelände mit kurzem Gras mündete. Wir hatten den Rand der obersten Terrasse erreicht.
    Mit einer Geste forderte mich Damian auf, in geduckter Haltung zu verharren, während er die Augen über die verfallenen Gemäuer schweifen ließ. Beim Anblick der im Mondlicht emporragenden skelettartigen Überbleibsel des geplünderten Klosters überlief es mich eiskalt. Nebelfetzen glitten Gespenstern gleich zwischen den Stummeln der Säulen hindurch und hingen wie Spinnweben an den abgebrochenen Bögen. Flache Schwaden wirbelten in Schlangenlinien über den Boden, verbargen die Grundsteine und kringelten sich wie Rauch an den zerbröselnden Mauern hoch. Das einzige Element, das jetzt noch zu einer klassischen Gruselszene fehlte, war der durch Mark und Bein gehende Todesschrei eines massakrierten Mönchs.

    Zum Glück war das gedämpfte Gurgeln des von der Quelle gespeisten Baches das einzige Geräusch, das an meine Ohren drang. Und obwohl ich die nähere Umgebung lange angestrengt mit den Augen absuchte, vermochte ich in der Düsternis auch nicht den kleinsten Lichtschimmer zu entdecken. Wenn tatsächlich eine Bande krimineller Inselbewohner Peter unter den Ruinen marterte, ging sie außerordentlich verstohlen zu Werke. Das Kloster wirkte völlig verlassen.
    Damian teilte meine Einschätzung offenbar.
    Wieder führte er die Lippen nahe an mein Ohr und wisperte: »Sie könnten ihn woandershin gebracht haben, aber wir sehen uns trotzdem um.
    Nur der Sicherheit halber.«
    Vom Rand des Plateaus schlichen wir zu dem Steinhaufen, der von der Nordfassade der Kirche übrig geblieben war. Damian stieg über zwei große Trümmer, ging in die Hocke und knipste seine abgedeckte Taschenlampe ein. Nebelfäden hüllten den über den Boden vor ihm zuckenden schmalen Strahl in ein hauchdünnes Gewebe, während Damian die Stelle nach möglichen Hinweisen absuchte. Ich huschte zu ihm hinüber, die Augen auf die gesprungenen und zerborstenen Platten gerichtet, mit denen das Mittelschiff der Kirche ausgelegt gewesen war. So bemerkte ich zu spät, dass Damian den Arm hob, zu mir herumfuhr und mich der Länge nach zu Boden schickte.
    Ich schluckte ein empörtes Krächzen hinunter.
    Einen Moment lang blieb ich, wo ich war, und überlegte benommen, was ihn wohl gegen mich aufgebracht hatte. Als ich mich schließlich auf die Knie gewälzt hatte, folgte mein Blick dem gespenstischen, von Schwaden verhangenen Lichtstrahl, der sich langsam zum Ostende der Kirche vorantastete, wo ein gravierter Gedenkstein die Grabstätte eines seit langem vergessenen Kirchenmannes markierte. Um besser sehen zu können, erhob ich mich, nur um mir plötzlich erschrocken die Hand vor den Mund zu schlagen. Einen Aufschrei konnte ich gerade noch unterdrücken.
    Der Gedenkstein hatte sich bewegt. Die große Steinplatte war wie eine Tür in Angeln nach einer Seite hin hochgekippt worden. Darunter tat sich ein gähnender Abgrund auf, ein in massiven Fels gehauener Gang mit steilen Stufen, der in tiefste Finsternis führte.
    Ich hockte mich auf die Fersen, und plötzlich erkannte ich mit einem Schauder, dass Damian mir höchstwahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Wenn er nicht die Gefahr erkannt und mich niedergeschlagen hätte, wäre ich mit Sicherheit in das klaffende Loch getappt und kopfüber die Steinstufen hinuntergestürzt. Auf der Stelle vergab ich ihm seine Grobheit und tastete mich nä her an das Loch heran, bis ich direkt an seinem Rande stand. Nebelschwaden krochen eine Treppe hinunter, die so steil war, dass man fast von senkrecht sprechen konnte.
    Keine einzige Faser meines Selbst wollte wissen, wohin die Treppe führte, doch meine Freundschaft zu Peter und seinen Eltern verlieh mir die Kraft, mich über meinen geballten gesunden Menschenverstand und ein gewisses Grauen hinwegzusetzen. Ich deutete erst auf Damian, dann auf mich und schließlich mit Nachdruck auf den Abgrund.
    Er verstand, auch wenn er Vorbehalte hatte.
    Ebenfalls mit Zeichensprache versuchte er mir mitzuteilen, dass ich in der Kirche warten sollte, während er den dunklen Gang erforschte, aber ich ließ nicht mit mir verhandeln. Die bloße Vorstellung, mutterseelenallein in der Ruine zu kauern und

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