Tante Inge haut ab
den Kopf und drehte sich zu Walter um. Der war weg. Sekunden später kam er wieder. »An der Tür ist ein Klingelschild. Mark Kampmann und Marion Fischer. Ich habe kurz geklingelt, es macht keiner auf. Aber wenn ich da vorne über die Hecke steige, komme ich zur Terrasse. Ihr müsst mir mal eine Räuberleiter machen, die Hecke ist zu hoch.«
»Ein doppelter Betrüger.« Heinz legte Walter die Hand auf die Schulter. »Nicht nur du wirst betrogen, sondern auch Marion Fischer. Meine Güte.«
Walter schob die Hand weg. »Ja, ja, darüber reden wir später. Jetzt kommt mit.«
Die Hecke war mannshoch. Kalli musterte sie skeptisch. »Da kommst du doch nie rüber, Walter. Sollen wir nicht einfach ein anderes Mal wiederkommen? Wenn jemand da ist? Vielleicht klärt sich ja auch alles vorher auf.«
»Kalli, du bist ein erbärmlicher Feigling«, sagte Walter, »außerdem bin ich fit, ich habe das goldene Sportabzeichen, Bester meiner Altersklasse. Also jetzt kneif hier nicht, mach mir eine Räuberleiter.«
Ergeben folgte Kalli dem Befehl. Walter stellte seinen rechten Fuß vorsichtig auf Kallis Hände und stieß sich ab. Gerade eben erwischte er die oberste Kante der Hecke. Kalli wankte unter seinem Gewicht, während Heinz versuchte, ihn von unten zu stützen.
»Was wiegst du eigentlich?«, stöhnte Heinz. »Mach dich doch mal leichter.«
Kalli atmete schwer. »Kannst... du ... was ... sehen?« "Ihr wackelt so. Hebt mich doch mal ein bisschen höher, dann komme ich rüber.«
Mit hochroten Köpfen und der größten Kraftanstrengung hoben sie ihn ungefähr fünf Zentimeter höher.
»Lange kann ich nicht mehr«, presste Kalli raus, Heinz wankte, und plötzlich krachte Walter durch die Hecke. Sie schloss sich hinter ihm.
»Walter?«, flüsterte Kalli zaghaft.
Heinz war lauter. »Walter! Ist dir was passiert?«
»Jaaa.«
»Walter?« Kalli spähte nervös durch das Gebüsch. »Sag doch was!«
»Ich glaube ... ich habe mir was gebrochen.«
Hektisch lief Heinz an der Hecke entlang, bis er plötzlich an einer Stelle stehen blieb. »Hier«, er zeigte auf ein Loch, »wenn wir hier noch was abbrechen, kriegen wir Walter durch.«
Kalli hockte immer noch auf der gleichen Stelle. »Walter, kannst du dich bewegen? Kannst du ein Stück weiter zu Heinz kriechen? Wir holen dich da raus.«
Sie hörten ein Stöhnen, das sich auf die Stelle zu bewegte, an der Heinz zügig Hortensienzweige abbrach. Nach einer Weile harte er das Loch so vergrößert, dass Walter seinen Kopf durchstecken konnte.
»Und jetzt?«, fragte er und sah Kalli und Heinz mit schmerzverzerrtem Gesicht an. »Ich bin schwer verletzt.«
»Jetzt musst du tapfer sein.« Heinz streckte ihm einen Arm entgegen, Kalli den anderen, und gemeinsam zogen sie ihn durch die auseinanderbrechende Hecke.
Kalli und Heinz hatten nicht genug Kleingeld dabei, deshalb teilten sie sich eine Fanta aus dem Getränkeautomaten, während sie auf den diensthabenden Arzt warteten. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Dr. Keller um die Ecke. Heinz sprang sofort auf. "Hallo, wir kennen uns doch. Wie geht es meinem Schwager? Wird er durchkommen?«
Dr. Keller lächelte und gab ihm die Hand. »Ach, Herr Müller ist Ihr Schwager? So langsam lerne ich ja die ganze Familie kennen. Wie ist der Unfall denn passiert?«
Betreten sah Heinz auf den Boden. »Ja, äh ... wir haben ...«
... die Hecke geschnitten«, ergänzte Kalli, der sofort danebenstand. »Walter arbeitet so gern im Garten, und die Hecke hatte es wirklich nötig. Viel zu hoch.«
Der Arzt blickte Heinz rügend an. »Ich weiß ja nicht, was für eine marode Leiter Sie haben, aber Sie sollten in Zukunft mehr auf Ihre Sicherheit achten. Bei solchen Stürzen kann man sich sonst was brechen. Gerade in Ihrem Alter.«
»Na, na«, Heinz wurde ungehalten, »wir sind noch absolut fit. Walter hat das goldene Sportabzeichen. Der Beste seines Jahrgangs.«
»Was hat er denn nun?« Ungeduldig schob sich Kalli vor Heinz. »Muss er hierbleiben?«
»Nein.« Dr. Keller zog ein Rezept aus seiner Kitteltasche und reichte es Heinz. »Er hat sich ordentlich den Steiß geprellt, das wird auch noch ein paar Tage wehtun. Ich habe hier Schmerztabletten aufgeschrieben, bei Bedarf bis zu vier am Tag, nicht mehr. Ansonsten hat er etliche Hautabschürfungen, er muss ja richtig durch die Hecke geschossen sein.«
»Ja«, Heinz nickte respektvoll, »das hat ordentlich gerumst. Aber er ist ein zäher Hund, mein Schwager, er tut immer nur so krank.«
Im selben
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