Tante Inge haut ab
nachher hin und sagen ihm ordentlich die Meinung.« Er hickste kurz, griff unsicher zu seinem Glas und trank den letzten Tropfen auch noch aus. »Björne! Du, der schmeckt immer besser. Kann ich noch einen haben?«
Walter entwand sich der zärtlichen Umarmung. »Kalli, du kriegst keinen mehr. Wir haben noch was vor.« Er stand auf, schwankte einen Moment und setzte sich wieder. »Mir ist schwindelig. Das kommt sicher noch vom Unfall.« Er kicherte leise. »Aber den Hintern merke ich gar nicht mehr. Entweder ist er weg oder geheilt. Guck doch mal, Heinz.«
Er richtete sich ein kleines Stück auf. Sein Schwager beugte sich vor. »Nein, alles gut. Wer fährt eigentlich das Auto zurück? Ich kann das nicht mehr.« »Ruf doch Christine an«, schlug Kalli vor. »Dann kann sie ja dein Auto fahren.«
»Christine?« Heinz tippte sich an die Stirn. »Die fährt wie eine Wildsau. Nein, nein, die haut mir gleich eine Beule rein. Oder schießt mit uns in die Dünen. Aber ihr Johann, der macht einen guten Eindruck. Der kann bestimmt gut fahren.« Er holte sein Handy aus der Jackentasche und wählte. Nach einem kurzen Moment sagte er fassungslos: »Abgestellt. Das gibt es doch gar nicht. Und nun?«
Walter nahm ihm das Handy aus der Hand, überlegte kurz und drückte ein paar Knöpfe. Als auch er eine blecherne Bandstimme hörte, guckte er enttäuscht. »Inges ist auch aus.«
»Wer weiß, wo die gerade ist?«, brummte Heinz beleidigt. »Und was machen wir jetzt?«
»Wir könnten Renate anrufen«, murmelte Kalli, »ich bin doch noch nie Porsche gefahren.«
Björne nahm die leere Schnapsflasche und ging damit in die Küche. »Ich rufe mal Maike an. Die soll mit ihrem Sohn kommen. Dann haben wir zwei Fahrer.«
Eine halbe Stunde später schüttelte Björnes Tochter Maike vorsichtig Kalli, der auf dem Rücksitz eingeschlafen war.
»Kalli, aufwachen, ihr seid zu Hause.«
Heinz schlug beherzt aufs Autodach. »Komm, Junge, aussteigen. Zack, zack.«
Walter, der seitlich am Auto lehnte, die Hände in den Hosentaschen, machte plötzlich ein entsetztes Gesicht. »Großer Gott, da kommt diese Renate. Hey, Kalli, der Porsche.«
Das war das Stichwort. Kalli schoss hoch, stieß sich beim Aussteigen den Kopf an der Autotür und wirkte danach wieder klar.
»Hallo, Renate«, rief er ihr munter entgegen, »ist es schon so spät?«
Strahlend stieg Renate aus dem Wagen. »Walter, helfen Sie mir bitte mit den Einkäufen? Wir wollten doch nachher grillen.«
Mit einem bösen Blick stieß Walter Heinz in die Seite und murmelte: »Du kannst auch tragen helfen. Ich bin verletzt. Außerdem muss ich mich eine Stunde aufs Ohr legen. Dieser Björne hat mich fertiggemacht.«
>*Ich war in meinem ganzen Leben noch nie in Flensburg. Und ich habe auch keinen Stadtplan mit. Wie heißt die Straße, wo die Kanzlei ist?«, fragte Johann, als vor ihm das Schild »Stadtmitte« auftauchte.
»Am Südermarkt«, antwortete Inge, »du musst noch ein Stück geradeaus, ich glaube, ich finde das.«
»Kennst du dich hier aus?«
Inge nickte. »Es ist zwar schon lange her, aber ich habe ein gutes Gedächtnis. Da vorne, rechts.« Sie drehte sich zu Christine um. »Ihr habt fünf Jahre hier gewohnt, kannst du dich nicht mehr erinnern ?«
»Tante Inge, als wir wegzogen, war ich sieben, da hat man noch keine Erinnerungen. Mir fallen nur so ein paar Momente ein. Irgendwann bist du hier mal mit Papas Auto gefahren, und meine Eltern haben dich ständig angebrüllt. Ich weiß aber nicht mehr, warum.«
»Stimmt.« Inge betrachtete schmunzelnd die Backsteinhäuser, die die Straße säumten. »Damals hatte ich gerade auf Sylt meinen Führerschein bestanden. Den wollte ich hier mit Heinz und Charlotte feiern. Heinz hat mich mit seinem Auto fahren lassen, einmal quer durch die Stadt, das fand ich ganz toll.«
Johann hielt an einer roten Ampel. »Und warum haben sie dich angebrüllt?«
Inge zeigte auf die Ampel, die über der Straße hing. »Ich habe kein einziges Rotlicht gesehen. Auf Sylt gab es damals keine Ampeln. Im Fahrschulbogen standen die immer an der Straßenseite, ich habe nicht gewusst, dass es in der Luft auch Ampeln gibt. Heinz schrie die ganze Zeit so laut, dass ich gar nicht begriff, was er meinte mit >Die Ampel, die Ampel Die Polizei hat mich dann angehalten. Die waren aber sehr nett. Da vorn, Johann, da vorn ist der Südermarkt. Und dann Nummer drei.«
Inge betrat als Erste die Kanzlei und ging mit schnellen Schritten auf die junge Frau am Empfang
Weitere Kostenlose Bücher