Tante Inge haut ab
schräg gegenüber einen roten Käfer parken. Und das Knie pochte.
»Okay. Ist vielleicht besser.«
Sie humpelte langsam vor, während Johann die Räder abschloss. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie, die Gäste im »Gourmet-Eck« zu erkennen.
»Ach nein«, Johann stand schon neben ihr, »guck mal, da in der Ecke, da sitzt deine Tante mit der Bedienung aus der >Badezeit<. Wir gehen jetzt da hin und begrüßen sie.«
Er ging voraus, und Christine folgte ihm so schnell es ging, bis sie vor Tante Inge standen.
»Hallo, Tante Inge.«
Ihre Frisur war wirr, die Wimperntusche etwas verschmiert, aber sie strahlte übers ganze Gesicht, obwohl sie einen Schluckauf hatte. »Chris...tine, oh, das ist... ja nett. Setzt euch zu uns ... wir feiern ... ich ... upps, kann gar nicht... richtig reden.«
Es war noch keine 16 Uhr, und Tante Inge war angeschickert. Fassungslos setzte ihre Nichte sich neben sie, während Johann Anika die Hand gab.
»Hallo, ich bin Johann.«
Er war so gut erzogen. Christine streckte schnell die Hand über den Tisch und stellte sich ebenfalls vor.
»Christine. Ich hoffe, wir stören nicht.«
»Anika. Nein, nein, wir wollten uns nur noch ein bisschen unterhalten. Wir haben meinen Sohn zum Sport gefahren, und ich wollte Frau Müller nach Hause bringen.«
»Da ... wollte ich ... aber nicht ... hin.« Inge kicherte und versuchte, ihr Zwerchfell in den Griff zu kriegen. »Also ... so einen Schluckauf ... hatte ich ... lange nicht...«
Sie wurde von einer Kellnerin unterbrochen, die zwei Kaffee brachte. Wenigstens trank sie nicht weiter.
»Och, bringen ... Sie mir ... noch ei...nen Kräuter...likör dazu? Bitte.«
»Tante Inge!«
Christine traf ein warnender Blick von Johann. Tante Inge schien der Ton nicht gestört zu haben.
»Schätz...chen, das hilft ... gegen Schluck...auf. Und An...ika ist ja ... dabei.«
Sie schlug ihrer Nichte mit der flachen Hand aufs Bein, traf dabei mit ihrem Daumen aber das aufgeschürfte Knie, was Christine zum Stöhnen und sie zum Lachen brachte.
»Guck mal ... Knie, wie mit ... zehn, nach dem ... Rollschuhlaufen. Ka...putt.«
Sie steigerte sich in einen Lachkrampf hinein. Christine sah Anika an, die hilflos die glucksende Tante Inge beobachtete.
»Was hat sie denn getrunken?«
»Nur einen Cocktail. Aber sie muss dauernd lachen. Dass das so wirkt?« »Hahaha!« Tante Inge warf ihren Kopf zurück und lachte brüllend: »Und wie ... Und ich habe so eine tolle Id...ee, hups ... Und ich bin übrigens nicht betrunken. Mir geht es großartig.«
Johann konnte sich das Grinsen nicht mehr verkneifen, genauso wenig wie Anika.
Christine fragte sich mit Sorge, ob ihre Patentante jetzt völlig verrückt geworden war. Aber Inge sah unglaublich gut gelaunt aus.
Johann stand auf und bestellte vier Gläser Sekt. Er wusste immer, was das Richtige war. Der Pathologe setzte gerade sein Seziermesser an,
als Heinz sich neben Christine in den Strandkorb fallen ließ.
»Na? Was machst du gerade?«
»Ich lese, Papa.«
»Aha. Gutes Buch?«
»Ja.«
»Um was geht es?«
Seine Tochter klappte den Krimi zu und nahm die Brille ab. »Um einen Mord. Was willst du?«
»Du, gar nichts.« Betont interessiert guckte er auf das Buch. »Ich wollte nur mal sehen, was du machst. Wo ist Johann?«
»Joggen.«
»Ach ja. Er läuft viel, oder?«
»Hast du Langeweile?«
Empört rutschte er nach vorn. »Langeweile! Ich weiß gar nicht, wie man das schreibt. Nein, ich dachte, ich sollte mich mal um dich kümmern, so oft bist du ja auch nicht hier.«
Er sah sie forschend an. Sie konnte sich denken, worüber er reden wollte. Ihre Kopfschmerzen meldeten sich sofort wieder zurück. Es nützte nichts.
»Da hattet ihr wohl einen schönen Nachmittag, oder?«, fragte Heinz nach einem Räuspern.
Vor Christines geistigem Auge erschien die ganze Palette Sektgläser, die sie tags zuvor im »Gourmet-Eck« geleert hatten. Ihre Schläfen pochten. Sie fragte sich, wer wohl die horrende Rechnung gezahlt hatte, sie war es jedenfalls nicht gewesen. Tante Inge härte es nicht mehr gekonnt, Anika hatte bestimmt nicht so viel Geld, blieb nur Johann oder Zechprellerei. Sie musste ihn später fragen.
»Ja, das war ganz lustig.«
Diese Antwort reichte Heinz anscheinend nicht. Er legte den Kopf schief. »Es war auch sehr lang. Und es wurde wohl viel Alkohol getrunken? Oder?«
Das Bild, in dem Johann kichernd die Fahrräder auf den Busgepäckträger hob, während Tante Inge und Nichte eingehakt und mit
Weitere Kostenlose Bücher