Tante Inge haut ab
Der sagte zu seiner Tochter: »Blaff deinen Onkel nicht so an. Er hat dir doch gar nichts getan.«
»Ich blaffe ihn nicht an.« Christine senkte angestrengt ihre Stimme. »Ich habe nur gefragt, ob er sich nicht um Tante Inge kümmern will.«
»Ich war ja schon bei ihr.« Walter guckte jetzt doch beleidigt. »Aber sie hat gesagt, sie will ihre Ruhe haben. Was soll ich denn da machen?«
Mit mitleidigem Blick musterte Heinz Walter. »Du hast alles getan, was du tun konntest, Walter. Jetzt müssen wir eben anders versuchen, das Problem zu lösen.«
Christine schluckte, und Walter fragte kläglich: »Wie denn?«
Heinz sah ihn entschlossen an. »Da fällt mir schon was ein. Jetzt frühstücken wir aber erst mal. Und dann fahren wir nach Kampen und gucken uns die Vorspülungen an. Das bringt dich auf andere Gedanken.«
Johann saß bereits auf der Terrasse und beobachtete regungslos Charlotte, die in den Blumenrabatten hockte und kleine blaue Kügelchen verstreute.
Christine deckte den Tisch. Walter drängelte sich neben Johann, »(üb mir doch mal so ein kleines Brötchen. Und die Marmelade.«
Abrupt hob Charlotte in diesem Moment den Kopf. »Da ist jemand an der Gartenpforte.«
Jetzt hörte Christine es auch. Irgendjemand klapperte am Drücker, das Scharnier quietschte. Und dann erklang eine Stimme, die bei Christine einen Schweißausbruch auslöste: -Heinz? Heieinz?«
Sie ließ den Teller, den sie gerade in der Hand harte, sinken und starrte ihren Vater an. »Sag bloß, das ...«
»Heinz? Ist jemand zu Hause?«
Heinz runzelte die Stirn, doch plötzlich erhellte ein Lächeln sein Gesicht.
»Das ist doch ...« Mit wenigen Schritten war er an der Hausecke und breitete die Arme aus. »Kalli! Was machst du denn hier? Charlotte, Christine, guckt doch mal, unser alter Kalli. Das ist ja ...«
Charlotte erhob sich schwerfällig und sichtlich um Fassung bemüht. »Das ist jetzt nicht wahr.«
Er war es tatsächlich. Kalli, der älteste Freund von Heinz, schüchtern, höflich, etwas umständlich und schnell zu begeistern. Auf Norderney, wo er lebte, harte er im letzten Jahr jede noch so idiotische Idee seines Freundes unterstützt. Er harte sich an Johanns Observierung genauso beteiligt wie an der Zerrüttung aller weiblichen Nerven.
Kalli trug eine Sporttasche in der Hand. Er war sehr blass, seine Haare standen wild vom Kopf ab, und seine Sonnenbrille saß etwas schief. Er nickte freundlich in die Runde.
»Hallo. Mir ist vorhin so furchtbar übel gewesen. Kann ich mich hier ein bisschen ausruhen?«
Voller Begeisterung packte Heinz seinen alten Freund an den Oberarmen und schüttelte ihn so heftig, dass er noch blasser wurde. »Wo kommst du denn her? Wieso bist du nicht auf Norderney? Ist Hanna auch hier?« Er zerrte ihn auf die Terrasse. »Das ist mein Schwager Walter, Inges Mann. Christine und Johann kennst du ja. Willst du mit frühstücken?«
»Kann ich vielleicht ein Glas Wasser haben?«
Seine höfliche Stimme holte Charlotte aus ihrer Starre. Sie kam zum Tisch. "Hallo Kalli, setz dich erst mal hin. Johann, rutsch mal ein Stück weiter.«
Sie reichte ihm ein Glas, und Christine schenkte ein. Kalli ließ sich erleichtert auf den Stuhl sinken. Erst als er ausgetrunken hatte, sah er wieder hoch und räusperte sich.
»Tut mir leid, dass ich einfach so hier reinplatze, aber ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte. Ich bin fix und fertig.«
Heinz beugte sich zu ihm. »Was ist denn passiert? Wieso bist du hier?«
Kalli senkte den Blick und rieb seinen Daumen. »Ach, die Kinder haben mir doch zum Geburtstag einen Flug geschenkt. Weil ich noch nie geflogen bin.«
»Und weiter?« Walter musterte ihn neugierig. »Wo sollst du hinfliegen?«
»Ich bin ja geflogen.« Kalli rieb sich erschöpft die Stirn. »Heute Morgen. Mit so einem Piloten, den man chartern kann. Jan. Das ist ein ganz Verwegener. Schon über Helgoland ist mir übel geworden. Und über Föhr musste ich spucken. Deshalb sind wir in Westerland notgelandet. Weil ich sonst einen Herzinfarkt bekommen hätte.«
»Und dann?« Charlotte schenkte ihm nach.
»Sobald wir unten waren, ging es wieder. Aber ich steige da nicht wieder ein. Ich bin doch nicht lebensmüde. Ich habe Jan gesagt, ich hätte einen Freund hier, den wolle ich jetzt besuchen. Und dann schön mit der Bahn zurückfahren.«
»Diese blöde Fliegerei«, Walter schüttelte verständnisvoll den Kopf, »da wird Energie verschleudert wie nur was, es ist laut, gefährlich, und schlecht wird
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