Tante Inge haut ab
Sie lächelte bitter. »Und das Ganze gern noch vor Ende der Sommerferien.«
Lena nickte ihr aufmunternd zu. »Ich höre mich mal um. Mein Bruder wohnt in Niebüll, und ab und zu bekommt man ja auch hier im Cafe was mit.«
»Das wäre super.« Jetzt war Anikas Lächeln wieder ihr altes. »Ich schreibe dir meine Handynummer auf. Ich hätte gern einen Milchkaffee. Und du, Inge?«
»Ähm«, in Gedanken versunken schreckte Inge hoch, »ja, das möchte ich auch. Danke.« Lena verschwand, und Inge fragte Anika: »Wann genau musst du denn aus der Wohnung raus?«
»Zum 30. September. Aber ich muss vorher eine neue Wohnung finden. Till muss ja in eine neue Schule, er kann in seinem Alter nicht jeden Morgen mit der Bahn nach Westerland fahren. Das wird schon stressig genug mit seinem Sportverein. Aber alles kann ich ihm ja nun auch nicht wegnehmen. Und der Schulwechsel geht am besten zu Beginn des neuen Schuljahres.«
Inge nickte. »Und wenn ihr auf Sylt doch eine Wohnung findet? Wir haben ja schon mal drüber geredet.«
Eine leichte Röte überzog Anikas Gesicht. »Ach, unser erstes Gespräch ... Inge, nichts für ungut, aber ich habe gedacht, das hättest du nach all dem Sekt längst vergessen.«
Inge lächelte. »Ich weiß noch ganz genau, worüber wir an dem Tag gesprochen haben. Aber sag mal, was anderes, könntest du dir vorstellen, in einer Hausgemeinschaft zu wohnen?«
»Was meinst du mit Hausgemeinschaft? Mit fremden Leuten? In einer Wohngemeinschaft?« Nachdenklich kaute Anika an ihrer Unterlippe. »Nein, aus dem Alter bin ich raus. Das habe ich früher mal gemacht.«
»Das meine ich nicht«, Inge winkte ab, »ich rede von einer Hausgemeinschaft, also alle haben eine Wohnung für sich, aber es gibt auch einen Gemeinschaftsraum, in dem man vielleicht zusammen isst oder Fernsehen guckt oder Karten spielt. Gerade für Frauen wie dich wäre das ideal. Es wäre immer jemand da, der sich auch mal um Till kümmert, du wärst abends unter Menschen statt allein, und die ganze Organisation wäre viel einfacher.«
»Schöne Theorie«, antwortete Anika, »aber so eine Hausgemeinschaft muss man erst mal finden. Und die muss sich entwickeln, das geht nicht von heute auf morgen. Ich vertraue meinen Sohn nicht gleich jedem an. Aber es ist eine schöne Idee. Wie im Film. Aber mal zurück zur Realität. Du hattest doch gesagt, du wüsstest vielleicht eine Wohnung für uns in Wenningstedt. Ist denn daraus was geworden?«
Nachdenklich musterte Inge die junge Frau. »Ja, es kann gut sein, dass im Haus einer Bekannten eine Dreizimmerwohnung frei wird. Die Chancen stehen sehr, sehr gut. Und ihr könntet auf Sylt bleiben.«
Skeptisch sah Anika sie an. »Wo ist denn das Haus? Und wie viele Leute wohnen da noch?«
»Ich habe die Straße vergessen, ganz zentral jedenfalls. Und es sind, glaube ich, insgesamt vier Wohnungen. Sehr nette Leute, habe ich zumindest gehört.«
»Weißt du denn, wie hoch die Miete ist? So ganz billig ist Wenningstedt ja nicht. Viel mehr als 600 Euro kann ich in keinem Fall zahlen.«
»Dafür sorge ... du, das klappt schon. Ich habe ein gutes Gefühl.« Sie griff nach Anikas Hand und drückte sie enthusiastisch. »Glaub mir, es wird alles gut.«
Johann warf Christine einen kurzen Blick zu und konzentrierte sich wieder auf die Straße.
»Tut es dir leid?«
»Was?« Sie hatte ihren Kopf gegen die Seitenscheibe gelehnt und starrte in die Heidelandschaft vor ihnen.
»Dass du laut geworden bist.«
»So laut war das auch wieder nicht.«
»Wir haben es draußen gehört.«
»Was?«
»Du hast Heinz angebrüllt.«
Christine setzte sich gerade hin und sah Johann an. »Ich habe Heinz nicht angebrüllt, ich habe nur meine Stimme erhoben, weil er schwer hört. Zumindest bei manchen Themen. Er ist ganz begeistert, dass Walter und Kalli da sind. Und endlich mal wieder Leben in der Bude ist, wie er es ausdrückte. Meine Mutter ist fast ausgerastet. Sie hat gesagt, dass sie kein Matratzenlager duldet und die beiden ins Hotel gehen sollen. Das lehnte Heinz wieder ab. So ging es hin und her. Deshalb habe ich etwas lauter mitgeteilt, dass wir auf der Stelle nach Rantum in den >Watthof< fahren. Das war alles."
»Aha.« Grinsend setzte Johann den Blinker, um in die Alte Dorfstraße einzubiegen. »Jedenfalls hat Kalli gemeint, dass er nicht schuld sein will, wenn du jetzt aus deinem Elternhaus vertrieben wirst. Worauf Walter erklärt hat, dass seine Tochter Pia ihn bis jetzt ungefähr 300000 Euro gekostet hat, von
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