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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Mal, wenn ich eine Aufnahme unterbreche, schmeißt er mir das Mikrophon an den Kopf. Was mache ich da, soll ich ihn mit Schimpf und Schande entlassen, oder soll ich den Brocken schlucken?«
    Ich sagte, was er hören wollte, nämlich daß er im Hinblick auf den Erfolg der Hörspielserien (»zu Ehren des nationalen Rundfunks etc. etc.«) den Brocken schlucken und seine Nase nicht mehr in den Herrschaftsbereich des Künstlers stecken solle. Und so tat er es, und ich wurde krank vor Neugier und hätte zu gern einmal der Aufnahme eines Programms des Schreibers zugesehen.
    Eines Morgens, zur Zeit unseres gemeinsamen Kaffees, nachdem ich vorsichtig um den heißen Brei geschlichen war, wagte ich es, Pedro Camacho danach abzutasten. Ich sagte, ich würde gern den neuen Verantwortlichen für die Spezialeffekte in Aktion erleben, um zu sehen, ob er wirklich so gut sei, wie er mir erzählt habe.
    »Ich sagte nicht gut, sondern mittelmäßig«, korrigierte er mich sofort. »Aber ich bilde ihn heran, und er könnte einmal gut werden.«
    Er trank einen Schluck seines Tees und beobachtete mich mit seinen kalten und zeremoniellen Augen voller innerer Zweifel. Schließlich nickte er resignierend: »Also gut, kommen Sie morgen um 3 Uhr. Aber das darf sich nicht wiederholen. Es tut mir sehr leid. Ich mag es nicht, wenn die Künstler abgelenkt werden. Jede Person verwirrt sie. Sie entgleiten mir, und ade, Katharsis! Die Aufnahme einer Episode ist wie eine Messe, lieber Freund.«
    In Wirklichkeit war es noch viel feierlicher. Von allen Messen, an die ich mich erinnerte (seit Jahren war ich nicht mehr in die Kirche gegangen), hatte ich nie eine so mitempfundene Zeremonie gesehen, nie einen so miterlebten Ritus, wie diese Aufnahme des 17. Kapitels von »Glück und Unglück des Don Alberto de Quinteros«, zu der ich zugelassen war. Das Spektakel sollte nicht länger als dreißig Minuten dauern – zehn für die Probe und zwanzig für die Aufnahme –, aber es kam mir vor, als dauerte es Stunden. Von Anfang an beeindruckte mich die Atmosphäre der religiösen Abgeschlossenheit, die in dem Glaskasten mit dem staubigen grünen Teppich herrschte, der „Aufnahmestudio Nr. 1« von Radio Central hieß. Nur der Große Pablito und ich waren als Zuschauer dort. Alle anderen waren aktive Teilnehmer. Pedro Camacho hatte uns beim Eintreten mit einem kriegerischen Blick wissen lassen, daß wir wie Salzsäulen zu erstarren hätten. Der Autor-Regisseur schien verwandelt. Er wirkte größer, kräftiger, wie ein General, der seine disziplinierte Truppe instruiert. Diszipliniert? Eher verzückt, verzaubert, fanatisiert. Ich hatte Mühe, die schnurrbärtige, krampf adrige Josefina Sânchez, der ich so oft zugesehen hatte, wie sie kaugummikauend und völlig unbeteiligt ihre Rollen las, wie jemand, der gar nicht weiß, was er sagt, in dieser ernsten kleinen Person wiederzuerkennen, die, wenn sie nicht gerade den Text durchging, nur Augen für den Künstler hatte, als bete sie ihn an, respektvoll, mit dem kindlichen Erschauern eines Mädchens vor dem Altar am Tag seiner ersten Kommunion. Das gleiche geschah mit Luciano Pando und den drei anderen Schauspielern (zwei Frauen und einem sehr jungen Mann). Sie wechselten kein Wort untereinander und sahen sich nicht an; ihre Augen wanderten wie magnetisiert zwischen dem Text und Pedro Camacho hin und her. Sogar der Tontechniker, der fette Ochoa, auf der anderen Seite der Glaswand, war von dieser Verzückung angesteckt. Vollkommen ernst beobachtete er die Kontrollampen, drückte Knöpfe und Hebel und folgte mit finsterem und aufmerksamem Stirnrunzeln dem, was im Studio geschah.
    Die fünf Schauspieler standen im Kreis um Pedro Camacho herum, der sie – wie immer im schwarzen Anzug mit Schleife, die Mähne zerwühlt – über das Kapitel belehrte, das sie jetzt aufnehmen wollten. Es waren keine Instruktionen, die er austeilte, jedenfalls nicht in dem prosaischen Sinn von konkreten Angaben darüber, wie die Rollen zu sprechen wären – gemessen oder heftig, langsam oder schnell –, vielmehr predigte er edel und olympisch, wie es seine Art war, über ästhetische und philosophische Tiefen. Selbstverständlich kamen die Worte »Kunst« und »künstlerisch« in diesem fieberhaften Vortrag am häufig sten vor, wie ein Heiliger, wie ein magisches Zeichen, das alles öffnete und erklärte. Aber ungewöhnlicher als die Worte des bolivianischen Schreibers war die Heftigkeit, mit der er sie vortrug, und vielleicht noch

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