Tante Lisbeth (German Edition)
bereits meine Rede in der Rue du Doyenné.«
»Wovon sprecht ihr da?« fragte Valerie, sich den beiden nähernd. »Bitte, bereite den Tee, Lisbeth!«
In seiner Polen-Gascognerie schmeichelte es dem Künstler, den Eindruck zu erwecken, er stehe mit der Fee des Salons auf vertrautem Fuße. Nachdem er Stidman, Vignon und Crevel durch einen spöttischen Blick geärgert hatte, erfaßte er Valeries Hand und nötigte sie, sich wieder neben ihn auf das Sofa zu setzen.
»Sie sind allzu gnädig, Graf!« sagte sie ein wenig widerstrebend. Dann fing sie an zu lachen und ließ sich neben ihm nieder, so daß ihm die Rose zwischen ihren Brüsten auffallen mußte.
»Gnädig? Ach, und ich bin hier, um Geld von Ihnen zu bekommen.«
»Armer Junge!« flüsterte sie. »Ich erinnere mich an Ihre Arbeitsnächte in der Rue du Doyenné. Sie waren ein Tor! Sie haben sich in die Ehe gestürzt wie ein Verhungerter aufs Brot. Sie kennen Paris gar nicht. Sehen Sie, nun haben Sie es! Sie waren ebenso blind vor Lisbeths Zärtlichkeit wie vor der Liebe der Pariserin, die ihre Leute kennt.«
»Genug!« wehrte er ab. »Ich bin nun einmal hereingefallen!«
»Sie sollen Ihre zehntausend Francs haben, mein lieber Stanislaus, aber unter einer Bedingung... .«
»Die wäre?«
»Ich nehme keine Zinsen.«
»Gnädige Frau!«
»Seien Sie nicht bös! Sie geben mir dafür eine Bronzegruppe. Sie haben einen Simson angefangen. Vollenden Sie das! Schaffen Sie dazu eine Delila, die dem jüdischen Herkules die Locken stutzt! Verstehen Sie mich, Meister? Es handelt sich darum, die Macht des Weibes zu verkörpern. Was ist Simson? Nichts! Ein Leichnam der Kraft. Delila, das ist die große Leidenschaft, die alles zugrunde richtet... .«
Sie brach ihre Rede ab, als sie sah, daß sich Vignon und Stidmann näherten. Die beiden hatten vernommen, daß von Kunst die Rede war.
»Also Sie versprechen es mir, Graf?« sagte sie zu Steinbock, indem sie ihm die Hand hinhielt, zaghaft wie ein verliebtes junges Mädchen.
»Sie Glücklicher«, scherzte Stidmann, »daß Sie der gnädigen Frau etwas versprechen dürfen!«
»Darf man fragen: was?« setzte Claude Vignon hinzu.
»Eine kleine Bronzegruppe«, gab Steinbock zur Antwort, »Delila, Simson das Haar abschneidend.«
»Ein schwierig Ding«, meinte Vignon, »des Bettes wegen.«
»Im Gegenteil«, warf Valerie lachend ein, »riesig leicht!«
»So? Machen Sie uns die Sache!« sagte Stidmann.
»Die gnädige Frau, welch Modell!« rief Vignon mit einem vielsagenden Blick auf Valerie.
»Passen Sie auf!« begann sie. »Ich denke mir die Sache so. Simson erwacht aus dem Schlafe – haarlos wie so mancher eine Perücke tragende Dandy. Der Held sitzt auf dem Bettrande. Das braucht man nur anzudeuten. Er sitzt da wie Marius auf den Trümmern von Karthago, die Arme verschränkt. Oder wie Napoleon auf Sankt Helena. Delila kniet vor ihm. Etwa wie Magdalena von Canova. Wenn ein Weib einen Mann zugrunde gerichtet hat, dann betet sie ihn an. Meiner Auffassung nach hatte die Jüdin zwar Furcht vor dem schrecklichen mächtigen Simson, aber den knabenhaft gewordenen muß sie lieben. Somit beklagt sie ihre Tat. Sie möchte dem Geliebten sein Haar wiedergeben. Sie wagt nicht, ihn anzublicken. Und dann schaut sie ihn lächelnd an, weil sie bemerkt, daß er ihr in seiner Schwachheit verzeiht... . Delila und Judith repräsentieren das Weib: Tugend und Sünde. Die Tugend schneidet euch Männern den Kopf ab, die Sünde nur das Haar. Schützen Sie Ihre Perücken, meine Herren!«
Weg war sie. Die Künstler sahen sich an, bis der Kritiker ihr zu Ehren ein Loblied anstimmte.
»Unübertroffen! Köstlich!« rief Stidmann aus.
»Ja«, setzte Vignon hinzu, »das klügste und begehrenswerteste Weib, das ich kenne! Geist und Schönheit vereint findet man selten.«
»Wenn Sie, der Sie die Ehre gehabt haben, Kamilla Maupin intim zu kennen, derartiges sagen«, meinte Stidmann, »was müssen wir dann denken?«
Crevel, der den Spieltisch verlassen und das Gespräch mitangehört hatte, gesellte sich zu den Künstlern.
»Lieber Graf«, sagte er, »wenn Sie Delila als Porträt von Valerie machen wollen, kaufe ich Ihnen ein Exemplar für tausend Taler ab. Sapristi! Tausend Taler!«
»Die gnädige Frau müßte mir sitzen«, sagte Steinbock. »Wollen Sie sie darum ersuchen?«
In dem Augenblick brachte Valerie dem Grafen eigenhändig eine Tasse Tee. Das war mehr als eine Auszeichnung; das war eine Gunstbezeigung. In der Art, wie eine Frau das verrichtet,
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