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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Baronin alles erzählt hatte, was sie in Erfahrung gebracht. »Geld muß er doch auch noch haben. Wer weiß, wer es ihm gibt! Vielleicht gar eine seiner früheren Mätressen, die Jenny Cadine oder so eine!«
    Adeline bekam ihre nervösen Zuckungen. Tränen stiegen ihr in die Augen.
    »Ich glaube nicht«, sagte sie schlicht, »daß sich ein Großoffizier der Ehrenlegion so weit vergessen kann!«
    »Wenn es sich um galante Abenteuer handelt?« warf Lisbeth hin. »Er hat den Staat bestohlen; warum soll da nicht auch einmal eine Privatkasse drankommen?«
    »Lisbeth, sprich solche Gedanken wenigstens nicht aus!« wehrte die Baronin ab.
    In diesem Augenblick kam Luise ins Zimmer.
    »Was gibt es, Luise?«
    »Ein Mann ist draußen, der Fräulein Fischer zu sprechen wünscht.«
    »Was für ein Mann?« fragte Lisbeth.
    »Er sieht verwahrlost aus, gnädiges Fräulein!« meldete das Mädchen. »Er hat eine rote Nase und riecht nach Schnaps. Wahrscheinlich ist es ein stellenloser Arbeiter oder ein arbeitsloser Handwerker.«
    Trotz der wenig einladenden Beschreibung eilte Lisbeth hinaus. Der Mann erwartete sie, seine Pfeife rauchend, im Hofe.
    »Was fällt Ihnen ein, hierherzukommen, Vater Chardin?« herrschte ihn Tante Lisbeth an. »War nicht ausgemacht, daß Sie jeden ersten Sonnabend im Monat am Tore des Hauses Marneffe in der Rue Barbet-de-Jouy sein sollen? Ich habe heute stundenlang umsonst auf Sie gewartet. Warum Sind Sie denn nicht gekommen?«
    »Ich wär schon dagewesen, mein liebes schönes Fräuleinchen«, meinte der Mann, der offenbar Tapezierer war, denn an seiner Bluse hing Roßhaar, »aber man hat auch so seine Passionen! Ich spiele für mein Leben gern eine Partie Billard. Sehen Sie, das ist mein Unglück! Man spielt, dazu trinkt man gern sein Schnäpschen, und rauchen muß man auch dabei. Das ist immer so. Die Nebenumstände, die machen einen kaputt! Nichts für ungut! Heute bringe ich Ihnen ein Schreiben von Ihrem Herrn Vetter. Der Alte hat keinen Zaster mehr. Hier haben Sie die Epistel!«
    Vater Chardin überreichte ihr einen Zettel. Lisbeth las:
    »Liebe Tante Lisbeth! Sei mein rettender Engel und schicke mir umgehend dreihundert Francs! Hektor.«
    »Wozu braucht er soviel Geld?« fragte sie den Handwerker in energischem Tone.
    »Liebes Fräuleinchen«, antwortete der Alte, »die Miete! Und dann ist mein Junge aus Algier zurückgekommen ohne einen roten Heller. Ganz gegen seine Art. Er ist Sie nämlich ein Fuchs. Aber er hat tolles Pech gehabt. Nichts verdient. Und nun leihen wir ihm was. Er hat ein piekfeines Geschäftchen auf dem Rohr. Ich sage Ihnen, er hat Ideen ...«
    »Die Polizei wird ihn schon einmal fassen!« meinte Tante Lisbeth trocken. »Den Tod meines Onkels Fischer hat er auch auf seinem Konto!«
    »Gott bewahre! Er kann kein Huhn schlachten sehen! Sie können mir's glauben, schönes Fräuleinchen!«
    »Da haben Sie die dreihundert Francs!« sagte Lisbeth, indem sie ihm fünfzehn Goldstücke in die Hand zählte. »Nun machen Sie, daß Sie fortkommen, und lassen Sie sich hier nicht wieder blicken!«
    Sie geleitete den Vater des Proviantamtsinspektors von Oran bis an das Tor. Als er auf der Straße war, zeigte sie ihn dem Hausmeister.
    »Wenn der versoffene Kerl da wieder nach mir fragen sollte, lassen Sie ihn auf keinen Fall ein. Sagen Sie, ich sei nicht da! Ebenso, wenn er etwa einmal zu der Baronin Hulot oder zu ihrem Sohn will, geben Sie ihm einfach den Bescheid, die wohnten nicht hier!«
    »Das wird geschehen, gnädiges Fräulein!«
    »Ich warne Sie! Wenn Sie eine Dummheit machen – auch bloß aus Versehen –, kommen Sie ohne Gnade um Ihren Posten hier im Hause!«
    Bereits seit einem halben Jahr wußte Tante Lisbeth, ohne daß sie es irgendwem verriet, Hulots Aufenthaltsort und zahlte ihm heimlich einen monatlichen Zuschuß.
    Lisbeths bösartige Stichelei: »Vielleicht nimmt er gar von seinen früheren Mätressen Geld!« beschäftigte die Baronin die ganze Nacht. Es kam ihr vor, als biete sich ihr hier eine Spur, die sich verfolgen ließ. Ertrinkende klammern sich an einen Strohhalm. So faßte sie den Entschluß, sich an jene ihr schrecklichen Frauen zu wenden. Ohne ihren Kindern von ihrem Vorhaben Mitteilung zu machen, begab sie sich am andern Vormittag zunächst zu Mademoiselle Josepha Mira, der Primadonna der Großen Oper.
    Als die Sängerin die Besuchskarte der Frau ihres ehemaligen Geliebten in den Händen hielt, fragte sie sich erstaunt: Was mag sie von mir wollen? Das arme Weib! Ihrer

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