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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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bei ihm zu empfehlen. Nun habe ich ihn eben eintreten sehen, und da habe ich mir erlaubt zu kommen. Herr Baron, mein Mann hat mir nämlich von einem Personalbericht erzählt, der morgen dem Minister vorgelegt werden soll ...«
    Es sah aus, als ob sie erregt wäre und zitterte, aber sie war nur die Treppe rasch heraufgelaufen.
    »Sie brauchen die Fürbitterin nicht zu machen, Verehrteste«, gab der Baron zur Antwort. »Ich möchte Sie vielmehr um die Gunst bitten, Ihnen meinen Besuch machen zu dürfen.«
    »Ah! Wenn es Fräulein Fischer gutheißt, kommen Sie!« entgegnete Frau Marneffe.
    »Gewiß, Vetter!« sagte Tante Lisbeth, und in ihrer Prüderie setzte sie hinzu: »Ich werde dich begleiten.«
    Die Pariserin hatte so fest auf den Besuch und die Schlauheit des Barons gerechnet, daß sie nicht nur sich, sondern auch ihre Wohnung auf das beste herausgeputzt hatte. Frühzeitig hatte sie Blumen – auf Kredit – gekauft; ihr Mann hatte ihr beim Polieren der Möbel geholfen. Alles bis aufs kleinste war abgeseift, abgebürstet, ausgeklopft und funkelte wie neu. Valerie wollte in reiner Umgebung erscheinen, um dem Baron zu gefallen und ihm so zu gefallen, daß sie ihn quälen, ihm den Brotkorb hochhängen könne wie einem grünen Jungen. Sie wandte dazu alle Mittel der modernen Taktik an. Hulot fiel in der Tat darauf hinein. Man gebe einer Pariserin vierundzwanzig Stunden Zeit, und sie stürzt noch auf ihrem Sterbebett einen Minister.
    Hulot, dieser Mann der Empirezeit, in deren Milieu er Meister gewesen war, benahm sich auf das allerungeschickteste, sobald ihm die Liebesintrigen, die Lebensanschauung oder die Unterhaltung nach der seit 1830 so veränderten Art entgegentraten. Die Frau war nicht mehr das arme schwache Geschöpf von Anno dazumal, nicht mehr das willige Opfer ihres sinnlichen Geliebten, nicht mehr die sorgliche Pflegerin aller Wunden, nicht mehr der stillergebene Engel. Die neue Liebe deckt Höllenwerk mit Himmelsworten. Die Leidenschaft ist für leidenschaftliche Seelen nur noch ein Martyrium. Auf der einen Seite schwärmt man von Idealen und Ewigkeiten, auf der andern erstrebt man durch die Liebe materielle Vorteile. Die Heuchelei, das Kennzeichen der neuen Zeit, hat die Galanterie verjagt. Zwischen den Schlachten der Kaiserzeit hatte man nicht Muße zum Zergliedern der Gefühle. Das Draufgängertum herrschte auch in der Liebe. Als der schöne Hulot dann in der Zeit der Restauration wieder ein homme à femmes sein wollte, tröstete er wohl etliche längst entthronte alte Freundinnen, gesunkene Sterne am Himmel der neuen Gesellschaft; für die jungen weiblichen Raubtiere aber war der alte Mann eine harmlose Beute.
    Frau Marneffe hatte sich ihren Kriegsplan zurechtgelegt, nachdem sie sich von ihrem Manne ein langes und breites über das galante Vorleben des Barons hatte berichten lassen, wozu er etliche Erkundigungen unter seinen Kollegen eingezogen hatte. Die Farce der modernen Liebelei mußte für Hulot den Reiz der Neuheit haben, und so war auch Valerie über ihre Rolle ihm gegenüber klar, und die Probe, die sie an dem Morgen ablegte, entsprach in ihrem Erfolge ihren Erwartungen vollkommen. Mit Hilfe ihrer rührseligen, romantischen und kapriziösen Mätzchen gelang es ihr ohne Gegenversprechungen, ihrem Manne die Beförderung zum Kanzleisekretär und das Kreuz der Ehrenlegion zu sichern.
    Dieses Vorhutgefecht endete natürlicherweise mit einem Diner im »Rocher de Cancale«, einem Akt im Theater und dem Geschenk von allerlei Mode- und Schmucksachen. Die Marneffesche Wohnung in der Rue du Doyenné gefiel mit einem Male nicht mehr; der Baron schmiedete Pläne von einer prächtigen Einrichtung in einem reizenden modernen Hause in der Rue Vanneau.
    Marneffe erhielt einen vierzehntägigen Urlaub, der in vier Wochen beginnen sollte, damit er in seiner Heimat geschäftliche Angelegenheiten ordnen könne, dazu eine Gratifikation. Er nahm sich eine kleine Reise nach der Schweiz vor, um daselbst Studien auf dem Gebiete des ewig Weiblichen zu machen.
     
    Wenn der Baron ein Protektorat übernommen hatte, vergaß er auch seinen Schützling nicht. Der Handelsminister Graf Popinot war ein Kunstfreund. Er gab zweitausend Francs für ein Exemplar der Simsongruppe unter der Bedingung, daß die Form zerbrochen werde, damit nur sein Exemplar und das von Fräulein von Hulot vorhanden bliebe. Das Werk erweckte die Bewunderung eines Fürsten; man zeigte ihm das Modell zu der Uhrgruppe. Er gab den Auftrag, sie auszuführen,

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