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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Pariserinnen, ihren Schick, ihre Modetorheiten, jenes verführerische Ich-weiß-nicht-Was, das man »rassig« nennt, aber seine Beziehungen zu solchen Damen beschränkten sich auf seine Bücklinge als Ladenjüngling. Sich an die Seite einer der Salonfeen emporzuschwingen, war sein von jeher gehegter heimlicher Herzenswunsch. Ein Favorit der Frau Marneffe zu werden, war somit für ihn nicht nur die Erfüllung seines Traumes, sondern gleichzeitig ein Reiz für seine Eingebildetheit, Eitelkeit und Eigenliebe. Sein Dünkel wuchs mit dem Erfolge. Er verspürte einen grenzenlosen geistigen Genuß, und wo das Hirn gewonnen, ist auch das Herz in Banden; das Glück wird hundertfältig. Frau Marneffe war ihm übrigens sichtlich entgegengekommen, aber er mißtraute ihrem Gebaren nicht, denn weder Josepha noch seine sonstigen kleinen Geliebten hatten ihm Leidenschaft vorgeheuchelt. Frau Marneffe hingegen hielt es für nötig, diesem Manne, der ihr ein unversiegbarer Geldquell war, ordentlich etwas vorzumachen. Die Mätzchen der käuflichen Liebe sind viel reizvoller als die wahrhafte Leidenschaft. In der wirklichen Liebe streitet man sich zuweilen um gar nichts und verletzt sich dabei zu Tode. Ein Scheinkampf dagegen schmeichelt der Eigenliebe des Betörten. Die Seltenheit der Stelldicheins steigerte in Creyel die Verliebtheit bis zur Leidenschaft. Er hatte immer wieder von neuem Valeries spröde Tugend zu bestürmen. Sie heuchelte Gewissenskämpfe und gab sich den Anschein, als mache sie sich darüber Gedanken, was wohl ihr Heldenvater droben in Walhall von ihr denken werde. Crevel stand im Kampfe mit ihrer Froschblütigkeit, aber das durchtriebene Weib machte ihm weis, er erobere sie. Sie tat so, als ob sie sich dem tollen Ungestüm des Spießbürgers ergebe. Hinterher nahm sie alsbald gleichsam schamerfüllt die Unnahbarkeit und den Tugendblick der anständigen Frau wieder an. Mit der Wucht ihrer Würde hielt sie ihren Crevel immer am Gängelbande, dem es ja von vornherein ihre Ehrbarkeit angetan hatte. Kurz und gut, Valerie besaß eine ganz besondere Art von Zärtlichkeit, ohne die weder Crevel noch Hulot leben konnten. Vor der Öffentlichkeit erschien sie als die reizendste Verkörperung keuscher verträumter Natürlichkeit, tadellosen Anstandes, witziger Munterkeit, gesellschaftlicher Liebenswürdigkeit und graziöser Ungebundenheit. Unter vier Augen aber stach sie die Kurtisanen aus, wobei sie drollig, witzig und in Einfällen unerschöpflich war. Gerade diese Gegensätze gefallen Menschen vom Schlage Crevels über alle Maßen; sie schmeicheln sich, jene Komödie spiele sich nur ihnen zuliebe und zu ihren Gunsten ab, und voll von Bewunderung haben sie an der köstlichen Heuchelei ihre Freude.
    Valerie wußte den Baron Hulot wunderbar zu nehmen. Sie nötigte ihn, sein Altwerden nicht mehr vor der Welt zu verbergen, durch ihre erlesenen Schmeicheleien, die so recht den Teufelssinn dieser Sorte Frauen kennzeichnen. Bei einer belagerten Festung, die sich lange Zeit brav hält, kommt doch einmal der Augenblick, wo sich die wahre Lage offenbart. Ganz ebenso ist es im intimen Verkehr. Valerie sah den nahen galanten Bankrott des napoleonischen Don Juans voraus und hielt es für angebracht, ihn noch zu beschleunigen.
    »Was genierst du dich eigentlich, geliebter Graukopf?« fragte sie ihn ein halbes Jahr nach ihrer heimlichen und zwiefach ehebrecherischen Vereinigung mit Hulot. »Hast du Absichten auf irgendwen? Willst du mir untreu werden? Ich hätte es viel lieber, wenn du dich nicht schminktest. Meinst du, der Lack deiner Schuhe, dein Gummigürtel, dein Korsett und dein Toupet wären das an dir, was ich liebe? Ach was! Je älter du wirst, um so geringer wird meine Angst, meinen Hektor am Arme einer anderen zu sehen!«
    Da der Baron ebenso an die göttliche Freundschaft wie an die Liebe der Frau Marneffe glaubte und mit ihr sein Leben zu beschließen hoffte, befolgte er diesen Wink mit dem Zaunpfahl. Er hörte auf, sich Haar und Bart zu färben. Auf die ihn rührende Bitte Valeries hin erschien er eines schönen Tages schneeweiß. Frau Marneffe lachte. Das habe sie längst gewußt.
    »Die weißen Haare passen wundervoll zu deinem Gesicht«, meinte sie ihn musternd. »Sie verleihen dir etwas Mildes. Du siehst sehr viel besser aus, scharmant!«
    Einmal so weit gebracht, verzichtete er auch auf Gürtel und Korsett. Ein Hängebauch kam zum Vorschein; seine Dickleibigkeit ward sichtbar. Eine erschreckende Schwerfälligkeit begann

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