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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Haushaltes. Da Mathurine hohen Lohn bezog, den Trinkgelder vermehrten, war sie anhänglich genug, um sich selber an billigen Einkäufen zu freuen. So wetteiferte sie seit einiger Zeit mit Lisbeth. Bald hielt diese sie für genügend ausgebildet und genügend zuverlässig, so daß sie selbst nur noch an den Tagen in die Markthalle ging, an denen Valerie Tischgäste erwartete. Das geschah übrigens ziemlich häufig, und zwar kam das so. Anfangs hatte der Baron strengstens den Schein gewahrt; aber seine Leidenschaft für Frau Marneffe ward in kurzer Zeit so heftig und begehrlich, daß er so wenig wie nur möglich von ihr getrennt sein wollte. Erst kam er viermal in der Woche zu Tisch, bald aber fand er es reizend, sich täglich einzustellen. Ein halbes Jahr nach der Heirat seiner Tochter gab er Frau Marneffe monatlich zweitausend Francs. Valerie lud jeden ein, den ihr geliebter Baron zu bewirten wünschte. Das Essen war immer für sechs Personen berechnet. Der Baron konnte drei Gäste ohne Ansage mitbringen. Lisbeth löste durch ihre Sparsamkeit die ungewöhnliche Aufgabe, einen reichlichen Mittagstisch für monatlich tausend Francs zu liefern und tausend Francs für Frau Marneffe zu erübrigen. Da Valeries Toiletten von Crevel und dem Baron mehr denn bezahlt wurden, so erübrigten die beiden Freundinnen, wie gesagt, monatlich tausend Francs. So hatte sich die »anständige, aufrichtige, feinfühlige Frau« bereits einhundertfünfzigtausend Francs gespart. Die Zinsen schlug sie zum Kapital, das sich auch durch namhafte Gewinne vermehrte. Crevel ließ ihr Geld nämlich bei seinen glücklichen Börsenspekulationen mitarbeiten. Er hatte sie in das Spekulationswesen eingeweiht, und wie alle Pariserinnen war sie ihrem Lehrmeister sehr bald überlegen. Lisbeth, die von ihren zwölfhundert Francs keinen roten Heller ausgab, da ihr Miete und Kleidung bezahlt wurden, besaß gleichfalls ein kleines Kapital von fünf- bis sechstausend Francs, das ihr Crevel in väterlicher Weise verzinste.
    Bei alledem war die Liebschaft mit dem Baron und mit Crevel ein schweres Joch für Valerie. An dem Tage, wo unsere Erzählung ihren Fortlauf nimmt, war sie zu Lisbeth hinaufgegangen, um ihr einmal ihr Herz auszuschütten.
    »Meine liebe Lisbeth«, klagte sie, »sich zwei Stunden mit dem Crevel abgeben zu müssen, das ist recht lästig. Ich wünschte, du könntest mich vertreten!«
    »Das geht leider nicht«, meinte Lisbeth lachend. »Ich will als Jungfrau sterben!«
    »Diesen beiden alten Kerlen anzugehören – ach, es gibt Augenblicke, wo ich mich vor mir selber schäme! Wenn meine arme Mutter mich sähe!«
    »Du denkst wohl, du hättest Crevel vor dir!« spottete Lisbeth.
    »Sag einmal, beste Lisbeth, verachtest du mich denn nicht?«
    »Wenn ich hübsch gewesen wäre, dann hätte ich ... tausend Abenteuer erlebt. Somit habe ich dir nichts vorzuwerfen.«
    »Aber du hättest dabei auf dein Herz gehört!« seufzte Valerie.
    »Unsinn! Dein Mann ist ein Toter, den man bloß vergessen hat zu begraben. Der Baron ist dein eigentlicher Gatte, Crevel dein Hausfreund. Ich wüßte also nicht, was da nicht ebenso in schönster Ordnung wäre wie bei allen andern verheirateten Frauen.«
    »Nein, nein! Darum handelt es sich ja gar nicht, verehrteste Freundin. Daher rührt mein Kummer nicht. Du willst mich nicht verstehen.«
    »Aber doch!« rief die Lothringerin aus. »Der heimliche Vorbehalt ist ja ein Teil meiner Rache. Was willst du? Ich bin an der Arbeit.«
    »Ich liebe Stanislaus; verzehre mich dabei und komme nicht an ihn heran!« sagte Valerie und breitete ihre Arme aus. »Hulot ladet ihn zu Tisch zu mir ein. Er nimmt nicht an. Er weiß nicht, wie vergöttert er wird, dieses Scheusal von einem Manne. Was ist seine Frau? Ein schöner Körper. Gewiß, sie ist schön, aber ich, das fühle ich, ich bin gefährlicher!«
    »Beruhige dich, Kleinchen!« sagte Lisbeth wie eine Kinderfrau zu einem unruhigen Kinde. »Ich werde ihn ...«
    »Aber wann?«
    »Vielleicht noch in dieser Woche.«
    »Komm, laß dich umarmen!«
    Die beiden Frauen waren also ein Herz und eine Seele. Alles, was Valerie tat, selbst das Törichtste, ihre Vergnügungen, ihre Launen, alles ward vorher von den beiden reiflich überlegt. Lisbeth, die von diesem Dirnenleben seltsam angeregt wurde, beriet die Freundin in allem. Dabei baute sie mit mitleidloser Logik weiter an ihrer Rache. Übrigens war sie in Valerie vernarrt; sie sah in ihr die Freundin, die Tochter, den Geliebten. In ihrer

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