Tanz auf Glas
rief nach Terrance. Noch dreimal wurde nach Terrance gebrüllt, jedes Mal lauter, und ich beeilte mich, die Tür zu schließen, damit Mickey nicht gestört wurde. Doch als ich an sein Bett zurückkehrte, war er wach.
»Hallo«, sagte ich.
Er bewegte sich nicht, blickte sich nur mit weit aufgerissenen Augen um, und ich sah Verwirrung und Angst auf seinem Gesicht. »Mickey? Liebling?«
»Lucy?«, flüsterte er.
»Ich bin hier, mein Schatz.« Ich berührte ihn am Arm. »Fühlst du meine Hand?«
Er blickte derart ungläubig drein, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte. Dann füllten sich seine Augen mit Tränen, und mir brach beinahe das Herz.
»Ich kann nicht glauben, dass du da bist«, flüsterte er.
»Warum?«
Er öffnete die geballte Faust und zeigte mir meine zerknüllten Nachrichten. »Ich habe dich angerufen, aber ich weiß nicht, ob du … Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.«
Ich beugte mich über ihn und streichelte mit dem Zeigefinger seine Wange. »Wie wäre es, wenn du mir nur sagst, dass du mich noch liebst, und damit lassen wir es gut sein?«
Mickey sah mich an, als hätte ich auf einmal Chinesisch gesprochen. Er setzte sich mühsam auf, und ich erkannte, dass er unter starken Medikamenten stand. Wieder schien er nicht ganz sicher zu sein, was er vor sich sah, als er mir forschend ins Gesicht schaute. »Bist du wirklich?«
Ich nahm seine Hand und hielt sie mit beiden Händen fest. »Ich bin wirklich.«
Er schüttelte den Kopf. »Lucy, ich bin doch hier derjenige, der verrückt ist.«
»Was soll das heißen?«
»Habe ich … habe ich dir einen Brief geschrieben?«
»Ja. Ich habe ihn gefunden.«
Er starrte mich wieder vollkommen verwirrt an. »Und du bist zurückgekommen?«
»Schatz, ich war nie fort. Und ich gehe nirgendwohin.«
Mickey blieb noch fünf Tage in der Klinik, und ich verfolgte seine abenteuerliche Reise von »psychotisch« über »weniger psychotisch« zu »geistig labil«, von wo aus er langsam zu meinem Mickey zurückfand, der jedoch sehr gedämpft war. Er erzählte mir, dass er sich an fast alles erinnern könne und sich das angefühlt hätte, als könnte man aus einem Alptraum nicht wieder aufwachen. Er versuchte zu erklären, wie schmal der Grat zwischen Wahn und Vernunft für ihn sei. Und wenn er in eine Psychose abrutschte, fühlten sich beide Welten wirklich an.
»Der Unterschied ist«, sagte er, »wenn ich bei Verstand bin, erkenne ich, dass der Alptraum eine Psychose ist. Aber wenn ich psychotisch bin, weiß ich das nicht. Also traue ich meiner Wahrnehmung nicht, wenn ich auf dem Weg vom einen in den anderen Zustand bin. Deshalb dauert es eine Weile, bis ich glauben kann, was ich sehe.«
Ich lächelte ihn an, doch er schüttelte den Kopf. Er war noch nicht fertig mit erklären.
»Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, Lucy.«
»Wofür denn?«
»Dass du mir zeigst, wie das geht. Wie ich dich lieben kann. Wie es ist, von dir geliebt zu werden. Lucy, es hat mir nie jemand beigebracht, wie man das macht. Meine Mutter ist nie lange genug aus sich selbst herausgekrochen, mein Vater hat es versucht, aber er war dazu einfach nicht in der Lage, und mein Bruder hat getan, was er eben tun musste, um zu überleben.« Mickey schüttelte den Kopf. »Schau mich nicht so an. Du sollst mich nicht bemitleiden, sondern die Realität verstehen, in der ich aufgewachsen bin. Deshalb ist das hier – was du mir gibst – so ungewohnt und fremd für mich. Es fühlt sich solide und verlässlich an. So etwas hatte ich noch nie.«
Ich nickte. »Mickey, ganz egal, wohin du gehst, wenn du so krank wirst, das hier – wir –, das ist real. Ich werde immer da sein, wenn du zurückkommst.«
Danach zweifelte keiner von uns mehr daran, dass wir zusammenbleiben würden. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir bereit waren, ja, es kaum erwarten konnten, zu heiraten. Sobald wir wieder auf Kurs waren, schmiedeten wir Hochzeitspläne.
Wir luden meine Schwestern zum Abendessen ein. Mickey grillte Steaks, ich machte den Salat, und wir lachten fast den ganzen Abend am Küchentisch. Ron und Mickey wurden schnell dicke Freunde und verabredeten sich für den folgenden Donnerstag zum Angeln. Lily und ich würden sie begleiten, und Ron sagte neckend zu Priscilla, wenn sie noch einen Jungen fände, dürfte sie auch mitkommen. Sie fand das offensichtlich nicht witzig, gab aber nur zurück: »Manche Menschen müssen arbeiten, weißt du?«
»Warum machst du dich nicht selbständig und wirst
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