Tanz auf Glas
Süße, aber – im Ernst? Hat sich an eurer Situation durch irgendein Wunder etwas geändert? Ist Mickey geheilt, oder ist er immer noch …«
»Priscilla, ich muss jetzt Schluss machen. Ich wollte dir nur Bescheid sagen.« Ich klappte mein Handy zu und warf es wütend in den Fußraum vor dem Beifahrersitz. Was erwartete ich auch von meinen Schwestern?
Das Handy klingelte, und ich zog es mit dem Fuß zu mir heran. Natürlich war es Priss, und am liebsten hätte ich die Mailbox drangehen lassen, aber ich zwang mich, das Gespräch anzunehmen.
»Tut mir leid, Lucy. Das war nicht das, was du von mir hören wolltest. Du hast mich nur überrumpelt – völlig überrumpelt. Geht es dir gut damit?«, fragte Priss vollkommen aufrichtig, und ich hätte weinen mögen.
»Ich weiß nicht. Ich habe es erst vor ein paar Tagen erfahren. Mickey habe ich es am Wochenende gesagt, auf dem Boot. Ich wollte es ihm irgendwo sagen, wo er nicht davonlaufen kann.«
»Tja, dann bin ich froh, dass du es gekapert hast. Aber Lucy, weißt du wirklich, was du da tust?«
»Nein. Aber ich tue es trotzdem.«
»Wie schwanger bist du denn?«
»Soweit wir es errechnen können, in der elften Woche.«
Priscilla seufzte ins Telefon. »Das Ganze macht mir Sorgen.«
»Ich weiß, und das ist lieb von dir.«
»Ich habe dich ja auch lieb. Aber, Lucy, es ist noch nicht zu spät, die Situation zu ändern.«
»Ich muss jetzt Schluss machen, Priss.« Ich legte auf und dachte an die letzte Unterhaltung, bei der sie mir praktisch dasselbe gesagt hatte.
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11
2 . Juli 2000
N icht lange nachdem ich mich von der manischen Episode erholt hatte, die Lucy eigentlich hätte vergraulen sollen, bestellte Priscilla mich zu Colin’s Grill. Ich lasse mich sehr ungern herumkommandieren, aber was auch immer Priss mir sagen wollte, war unumgänglich, das wusste ich. Also traf ich mich mit ihr. Als ich ankam, saß sie am Tisch in der Ecke, und sie lächelte nicht, als ich mich setzte.
»Hi, Priscilla.«
»Hallo, Mickey. Danke, dass du gekommen bist.«
Der Kellner brachte mir eine Cola, die ich nicht bestellt hatte, und Priscilla dankte ihm und erklärte dann: »Wir wollen nicht gestört werden.« Er reichte ihr die Rechnung und ging. Ohne Umschweife sagte sie: »Das mit meiner Schwester kommt nicht in Frage. Das dürfte dir jetzt auch klar sein.«
Ich schwieg.
»Ich hätte früher einschreiten sollen, aber ich dachte wirklich, die Geschichte würde sich von selbst erledigen. Du bist ein netter Kerl, Mickey, das ist wirklich nichts Persönliches.«
Priscilla machte eine Pause, und ich ließ ihre Worte schwer und unkommentiert zwischen uns in der Luft hängen. Sie räusperte sich. »Lucy hat keine Ahnung, worauf sie sich mit dir einlässt. Sie ist jung und naiv, und du bist …« Sie zuckte mit den Schultern. »Du hast viel zu viele Probleme, Mickey. Wenn du meine Schwester wirklich liebst, dann bitte geh einfach. Sie ist dem Ganzen nicht gewachsen, und das ist ihr gegenüber nicht fair.«
Ich trank einen Schluck und hörte weiter zu.
Priscilla redete sich in Rage und beugte sich über den Tisch, um mir ihr Missfallen noch deutlicher unter die Nase zu reiben. Schließlich sagte sie: »Meine Schwester ist noch keine voll entwickelte Persönlichkeit, Mickey. Sie ist gerade einmal zweiundzwanzig, und sie bildet sich allen möglichen Unsinn ein. Sie glaubt tatsächlich, sie wolle Highschool-Lehrerin in Brinley werden, aber das ist schlicht lächerlich! Sie hat einen Abschluss magna cum laude! Sie ist viel zu gut dafür!« Priss rieb sich mit zwei Fingern die Nasenwurzel und seufzte. »Es ist ihr nicht einmal richtig bewusst, dass es da draußen eine große Welt gibt. Sie muss erwachsen werden und sie sehen. Und du musst dich zusammenreißen und das Richtige tun.«
Ich trank einen Schluck Cola und wappnete mich. »Bin ich jetzt dran?«
»Bitte, natürlich.«
»Ich glaube, das einzig Richtige ist, schnell wieder zu vergessen, dass dieses Gespräch je stattgefunden hat, Priscilla.«
»Wie bitte?«
»Das ist mein voller Ernst, Priss. Ich bin dankbar dafür, dass dir Lucy so viel bedeutet, aber anscheinend kennst du sie überhaupt nicht. Und du kennst mich nicht. Glaubst du ernsthaft, Lucy und ich hätten nicht sämtliche Aspekte gründlich betrachtet? Ich kann eine ziemliche Herausforderung sein, das weiß jeder. Und ich garantiere dir, dass es Zeiten geben wird, in denen du mich noch weniger mögen wirst als jetzt. Aber damit kann ich leben, Priscilla,
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