Tanz auf Glas
vor meiner Hochzeit, kündigte der Wetterbericht für die ganze Woche Wind und Regenschauer an, und ich dachte bei mir: Wie dumm von diesem Meteorologen, das nicht vorher mit Priscilla abzusprechen. Sie machte sich wegen des Wetters jedoch keine Sorgen. Die Tische wurden am Abend vor dem Fest geliefert und in einem großen Viereck aufgestellt. In die Mitte kamen zehn Reihen Stühle, jeder mit einer riesigen weißen Tüllschleife geschmückt. Die Laube glich einem lebendigen Baldachin, und ich konnte Priss kaum gestehen, wie wunderschön ich sie fand, nachdem ich anfangs so dagegen gewesen war.
Binnen weniger Stunden füllte sich meine Küche mit Kisten voll feiner Tischwäsche und Kristall, die Priss gemietet hatte. An meinem großen Tag kamen riesige rosafarbene Schachteln hinzu, die Canapés, Eclairs, Makronen und in Schokolade getauchte Erdbeeren enthielten. Auf dem Sofa hatten sich Champagnerkisten breitgemacht, und ich schaute zufällig gerade rechtzeitig aus dem Wohnzimmerfenster, um meine Hochzeitstorte durch den Garten schweben zu sehen. Ich umarmte ihre Schöpferin, Matilda Hines, und ich hatte wirklich noch nie eine so schöne Torte gesehen: vier Rechtecke, stufenförmig aufeinandergetürmt, bedeckt mit weißen Schokoraspeln und mit großen, hell orangeroten Gerbera geschmückt.
Die Zeremonie sollte um vier Uhr beginnen. Um halb zwei stieg ich in die Badewanne, da war der Himmel noch blau. Als ich wieder herauskam, sah er anders aus.
Ich stand noch im Bademantel vor dem Kleiderschrank, als es an der Tür klopfte. »Herein!«, rief ich, weil ich annahm, es sei Priscilla, die mir zum elften Mal versichern wollte, dass es nicht regnen würde. Aber es war Mickey mit einem Mann, der so aussah, wie Mickey vermutlich in vierzig Jahren aussehen würde.
»Hallo, mein Schatz«, sagte er und küsste mich auf die Wange. »Ich möchte dir meinen Vater vorstellen, ehe es da unten richtig losgeht.«
Ich weiß nicht genau, woran es lag, aber Mickey neben seinem Vater zu sehen, trieb mir die Tränen in die Augen. Er hatte angenommen, sein Vater würde niemals so weit reisen, aber da war er, ein sanfter Riese mit vollem, weißem Haar. »Ich freue mich so, dass Sie kommen konnten, Mr Chandler.«
Er wirkte ein wenig schüchtern – vielleicht wusste er auch nicht recht, wie er mit einer Frau im Bademantel umgehen sollte – und streckte mir die Hand hin. Ich ignorierte die Hand und fiel ihm um den Hals, und der gute Mann erwiderte meine Umarmung.
»Ich habe das Gefühl, Sie schon zu kennen, denn mein Junge spricht von nichts anderem mehr als von Ihnen.«
Ich reckte mich auf die Zehenspitzen und küsste Mickeys Kinn. »Tja, er ist ein toller Mann. Ich habe wirklich Glück.«
Der alte Mann nickte, und so etwas wie Mitleid huschte durch seine Augen. Ich hoffte, dass Mickey diesen Ausdruck nicht gesehen hatte.
»Wie war der Flug?«, erkundigte ich mich.
»Halb so schlimm. Ich habe ihn überlebt.«
»Dad verabscheut das Fliegen.«
»Dann bedeutet es mir umso mehr, dass Sie hier sind.«
»Das hätte ich um nichts in der Welt verpassen wollen.«
Da platzte Priscilla herein, geradezu königlich in ihrem silbernen Kleid mit Spaghettiträgern und fünfzehn Zentimeter hohen Highheels. Anstelle einer Krone trug sie allerdings zwei Lockenwickler auf dem Oberkopf.
»Lucy! Was machst du noch im Bademantel? Weißt du, wie spät es ist? Du heiratest in fünfundfünfzig Minuten! Mickey, du darfst die Braut doch vor der Trauung nicht sehen! Raus mit dir!«
»Hat mich gefreut, Lucy«, sagte Mickeys Vater. »Ich hoffe sehr, dass ihr nicht nass werdet.«
»Es wird nicht regnen! Die Wolken ziehen in Richtung Küste. Alles bestens. Jetzt zieh dich an.« Priss scheuchte die beiden Männer hinaus, doch ehe Mickey die Tür hinter sich zuzog, fing er meinen Blick auf und flüsterte verschwörerisch: »Wir hätten durchbrennen sollen.«
»Das habe ich gehört«, sagte Lily, die sich im selben Moment an ihm vorbeidrängte. Sie sah bezaubernd aus in einem wadenlangen Kleid aus marineblauer Seide mit einem Anstecksträußchen aus Wildblumen an einem Träger und einer Margerite im kurzen Haar. Meine Schwestern halfen mir in mein Kleid und machten großes Aufhebens um mein Make-up. Lily legte mir die Perlenkette um, und Priscilla half mir mit den passenden Ohrringen. Als ich mich in dem großen Spiegel bewunderte, schlang Lily einen Arm um mich.
»Du siehst so wunderschön aus, Lu.« Sie strich mir das Haar von der Schulter, und ich sah,
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