Tanz auf Glas
wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
»Hör auf, sonst bringst du mich auch zum Weinen, Lily.«
»Ich … ich will dir nur sagen, dass ich sehr stolz auf dich bin«, sagte sie und umarmte mich. »Du bist einfach großartig, Lucy, und Mickey kann sich unglaublich glücklich schätzen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Danke, Lil, aber
ich
bin hier diejenige, die sich glücklich schätzen kann.«
Priscilla beendete die letzte Inspektion meines Rocksaums. »Wunderschön«, sagte sie und trat zu uns vor den Spiegel. Doch ihre zufriedene Miene wich rasch der Verlegenheit, als sie die Lockenwickler entdeckte, die immer noch in ihrem Haar steckten. Es klopfte an der Tür, und wir sagten wie aus einem Munde: »Herein.«
Es war Jan, und als sie uns sah, schlug sie sich beide Hände vors Herz.
»Du meine Güte! Ihr seid umwerfende Frauen, alle drei!« Sie kam zu uns, hielt mich auf Armeslänge von sich ab und zog mich dann an sich. »Ach, wenn deine Mutter dich nur sehen könnte! Von diesem Tag hat sie immer geträumt.«
Ich lächelte mit feuchten Augen.
»Bist du bereit?«, fragte sie.
»Und wie ich bereit bin.«
»Gut. Es wird Zeit. Alle sitzen auf ihren Plätzen, das Orchester spielt, und Richter Doyle ist gerade gekommen. Es ist zwar noch ein paar Minuten zu früh, aber wir sollten lieber anfangen. Sieht ganz so aus, als würde es noch regnen.«
»Es wird nicht regnen!«, donnerte Priscilla.
»Vielleicht haben wir ja Glück. Aber wir haben die Torte sicherheitshalber wieder ins Haus gebracht«, flüsterte Jan mir zu.
Ich sah, wie Priscilla ans Fenster trat und den Himmel drohend anfunkelte, und musste lächeln. Ob es noch regnen würde oder nicht, ich würde heute Nacht als Mrs Michael Chandler ins Bett gehen, und nur darauf kam es an.
Jan küsste mich auf die Wange. »Wir sehen uns unten, Schätzchen.« Sie ging mit Lily hinaus, so dass nur noch Priscilla und ich da waren, und Priss sah aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
»Was ist?«, fragte ich sie.
»Du weißt, dass ich dich sehr lieb habe, Lu.«
»Ich denke, das hast du spätestens diese Woche bewiesen.«
Sie kam zu mir und fasste mich bei den Händen. »Stimmt, das habe ich … Aber Lucy, es ist immer noch nicht zu spät, es nicht zu tun.«
Ich zog sie fest an mich. »Doch, das ist es, Priscilla. Ich liebe ihn längst viel zu sehr. Und jetzt raus mit dir.«
»Bist du dir wirklich sicher?«
»Absolut.«
Seufzend spielte sie an Moms Perlenkette herum, dann küsste sie mich auf die Wange. »Wir sehen uns unten.«
Nun war ich allein und kurz davor, mein Jawort zu geben. Ich nahm das Bild von meinen Eltern, das auf meinem Nachttisch stand, seit ich ein kleines Mädchen war, und ging damit zum Fenster. Ich konnte Mickey und Ron sehen, die vor der Laube standen und lachten. Alle meine liebsten Freundinnen und Freunde saßen schick herausgeputzt auf ihren Plätzen, ein paar hielten Regenschirme bereit. Meine Schwestern steckten ganz hinten die Köpfe zusammen, zappelig vor Erwartung. Diesen Augenblick würde ich nie vergessen – wie ich dastand und in den Tag hinausschaute, der mein Leben verändern würde. Ich betrachtete das gerahmte Foto in meiner Hand. Das Einzige, was fehlte, waren meine Eltern. Aber ich konnte sie fühlen, hier bei mir. Ich spürte, wie sie mir ihren Segen gaben. Noch einmal strich ich mit dem Daumen über ihre Gesichter, dann ging ich die Treppe hinunter.
Harrison Bates, der über so viele Jahre hinweg als mein Vater eingesprungen war, wartete an der Tür zum Garten auf mich. Als er mich sah, schossen ihm die Tränen in die Augen. »Du siehst prächtig aus, Harry. Danke, dass du heute mein Vater bist.«
»Es ist mir eine Ehre, Liebes«, sagte er leise. »Mickey ist wirklich ein Glückspilz.«
Als ich hörte, dass das Streichquartett Pachelbels Kanon in D-Dur anstimmte, erschauerte ich. »Jetzt ist es so weit.«
Unser Garten sah aus wie aus einem Märchen. Priscilla hatte sich wahrhaftig selbst übertroffen, und am Himmel über der Laube, die Mickey umrahmte, leuchtete in diesem Moment sogar ein Regenbogen. Mickey sah wunderbar aus, wie er da neben Ron stand, gediegen, elegant und nervös in seinem grauen Smoking.
Als ich, geführt von Harry, bei Mickey ankam, begrüßte Richter Doyle uns und die Gäste mit einem Lächeln. Dann räusperte er sich und begann ein Gedicht zu rezitieren. Er hatte kaum ein paar Worte gesprochen, als ein Regentropfen auf meiner Nasenspitze landete. Während ich ihn
Weitere Kostenlose Bücher