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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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sie traut ihrem eigenen Adel nicht. Sie sorgt sich viel zu sehr, Engel. Ich wünsche mir, dass du ihr Lachen entfesselst. Verleihe ihr den Mut, nach der Wahrheit zu handeln.«
    »Ich werde ihr helfen, ihre Kraft zu finden«, versprach der weise Engel.
    Da trat der König an das Bett, in dem die kleinste Prinzessin schlief. Dunkle Locken breiteten sich über ihr Kissen, ein königlicher Daumen steckte im Mund. Der König kniete sich an das Bett und strich über die zarte Kinderstirn.
    »Diese Prinzessin, Engel, wirkt nur so zerbrechlich, aber sie hat eine gelassene Seele und ein entschlossenes Wesen. In ihr liegt ein Versprechen, das uns gewiss noch alle retten wird.« Eine einzelne Träne rann dem König über die Wange, und der Engel fing sie in seiner Handfläche auf. Der König küsste seine Jüngste auf die Nasenspitze und sagte: »Für diese Prinzessin wünsche ich mir, dass sie die verborgene Freude in einem unvollkommenen Leben entdeckt.«
    »Dazu wurde sie geboren, Hoheit.«
    Der König betrachtete das reizende Engelchen, das ihm aus dem Reich der Götter und Träume geschickt worden war. Allein dieser Engel konnte seine Qualen lindern und ihm die Sorgen nehmen. Dessen war er sich im tiefsten königlichen Herzen gewiss, obwohl er nicht wusste, woher er das wusste. Über all das würde er später nachdenken, wenn der wartende Tag heraufgezogen war. Fürs Erste wünschte er Abigail eine gute Nacht und schlüpfte zu der schönen, lächelnden Königin ins Bett.
    Und jetzt, erst jetzt, konnte er schlafen …
     
    Ich hörte, wie die Haustür aufging und Lily meinen Namen rief. Ich drückte mir die Seiten meines Vaters ans Herz, und ein Schauer überlief mich. Mein großer, starker Vater, mein Dad-in-der-Uniform hatte ein Märchen für uns geschrieben. Ich konnte kaum glauben, wie gut er uns gekannt und wie sehr er uns geliebt hatte. Nachdem ich mir über die feuchten Augen gewischt hatte, steckte ich seine Geschichte zurück in den Umschlag und vermisste ihn, wie ich ihn seit Jahren nicht mehr vermisst hatte.
    Als Lily hereinkam, blickte ich aus meinem Nest von James-Houston-Schriften zu ihr auf.
    »Lucy, hasst du mich?«
    Ich schüttelte den Kopf. Als wäre es überhaupt möglich, sie zu hassen! Außerdem war mein Ärger verflogen.
    Einen Moment lang blieb sie einfach da stehen und schaute auf mich herab. Aus dieser Perspektive wirkte sie furchtbar dünn. Sie hielt eine bunte Tasche voller Seidenpapier in der Hand, und ihre Unterlippe zitterte. »Lucy, ich bin abscheulich. Ich finde es schrecklich, wie ich dich vorhin behandelt habe.«
    Ich klopfte neben mir auf den Boden, und sie setzte sich.
    »Das hat mich einfach umgehauen, Lucy. Es tut mir so leid.« Lily hatte geweint. Heftig geweint. Ihre Augen waren rot und verquollen, ihre Nase geschwollen und gereizt. Sie schlang die Arme um mich, und ich murmelte an ihrem Hals: »Bist du noch böse auf mich?«
    »Das will ich gar nicht sein, Lucy. Ich bemühe mich.«
    »Was soll ich tun?«
    »Nichts. Du kannst nichts dafür. Ich werde mich ganz bald für dich freuen können. Ich freue mich ja jetzt schon für dich. Nur noch nicht so ganz.« Sie schniefte. »Mir war nicht klar, dass dieses Ungeheuer noch in mir lebt und Macht besitzt, nach so langer Zeit.«
    »Welches Ungeheuer? Wovon sprichst du?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nachdem wir unser Baby verloren hatten, bin ich wochenlang im Bett geblieben. Um ein Haar hätte ich meine Ehe zerstört. Ich konnte einfach an nichts anderes denken als an dieses kleine Gesichtchen.« Lily liefen die Tränen über die Wangen, und sie rang nach Luft. »Du warst weg, an der Uni, deshalb weißt du gar nicht, wie schlimm es geworden ist. Aber wenn ich diesen kleinen Jungen nicht haben konnte, wollte ich nur noch einschlafen und nie wieder aufwachen.« Sie wischte sich mit dem Handrücken die Nase.
    »Lily …«
    »Es war schrecklich, und ich habe mich selbst dafür gehasst, was ich Ron antat. Und mir selbst. Aber ich konnte nicht anders. Ich bemühe mich, nie an den Kleinen zu denken, Lucy, weil ein Teil von mir an jenem Tag gestorben ist. Aber jetzt kommst du mit dieser Neuigkeit …«
    Eingehend betrachtete ich meine Schwester. Ich hatte geglaubt, dass wir einander im Leben immer alles erzählt hätten, aber ich hatte nicht geahnt, wie sehr sie unter Jamies Verlust gelitten hatte. Ich war zu sehr mit meinem eigenen Leben beschäftigt gewesen.
    Lily wischte sich die Tränen von den Wangen. »Ich sollte dir das alles gar nicht

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