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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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dunkler.« Sie zeigte darauf. »Siehst du es?«
    Ich beugte mich vor und sah genau hin. »Kann sein.«
    »Wahrscheinlich steckt gar nichts dahinter, Lucy. Die Schwangerschaft bewirkt eine Reihe ganz normaler körperlicher Veränderungen, auch im Brustgewebe – erhöhte Drüsenaktivität, Wassergehalt und so weiter. Aber diese normalen Vorgänge machen die Einschätzung kleiner Veränderungen, die womöglich doch krankhaft sein könnten, sehr schwer. Als du vor zwei Monaten zu deiner Routineuntersuchung hier warst und die Schwangerschaft festgestellt wurde, habe ich nichts Problematisches gesehen. Aber nur zur Sicherheit habe ich ja diese Ultraschallaufnahmen gemacht, als du am Montag hier warst, um einen Vergleich zu haben.« Sie deutete auf die dritte Bilderserie.
    Ich stand auf und beugte mich über ihren Schreibtisch. »Ich kann ehrlich keinen Unterschied erkennen.«
    »Ich weiß – ich auch nicht. Aber bei der Untersuchung habe ich etwas getastet.«
    Meine Beine kribbelten, und ich musste mich setzen. Ich konnte den Blick nicht von meiner Ärztin abwenden – ernstes Gesicht, tüchtiges Auftreten, weißer Kittel über einem schwarzen Leinenkleid. »Du hast etwas ertastet? Warum hast du nichts gesagt?«
    »Weil ich das wirklich nicht für ungewöhnlich hielt und deine Laborwerte keinerlei Anlass zur Sorge geben – eigentlich deutet überhaupt nichts auf ein mögliches Problem hin, außer deiner Krankengeschichte. Deshalb möchte ich, dass du noch von einem weiteren Fachmann untersucht wirst. Es war eine gewisse Verdichtung zu spüren, und zwar an einer Stelle, die mit diesem dunklen Bereich hier übereinstimmt.« Wieder deutete sie auf den unteren Rand eines der Bilder. »Lucy, wie gesagt, falls das nur eine Schwellung des Brustgewebes ist, ist das ein völlig normaler Befund bei einer Schwangeren.«
    »Aber?«
    Charlotte schaltete die Beleuchtung aus und wandte sich mir wieder zu. »Aber wir wollen ganz sicher sein, nicht wahr, Liebes?«
    »Ja, natürlich«, antwortete ich zittrig. »Und was geschieht jetzt?«
    »Ich würde dich ja wieder zu Dr. Stevens schicken, der dich letztes Mal behandelt hat, aber er ist nach Fort Worth gezogen. Also schicke ich dich zu Dr. Matthews drüben in New Haven. Er ist dort Leiter der Frauenonkologie und Spezialist für genau das, wovon wir gerade gesprochen haben. Ich kenne ihn auch persönlich. Er ist sehr gut.« Charlotte kritzelte eine Adresse auf einen Notizzettel und reichte ihn mir. »Kannst du gleich heute Nachmittag hingehen?«
    »Heute noch? Du hast doch gesagt, du bist nicht sonderlich besorgt.«
    »Lucy, er ist jetzt im Haus, und er hat sich mir zuliebe bereit erklärt, dich irgendwie noch dazwischenzunehmen. Er wird sich nur diese Aufnahmen ansehen und dich untersuchen, vielleicht noch ein paar Proben nehmen. Vielleicht habe ich schon morgen die Ergebnisse. Und dann können wir alle aufatmen und uns weiter über deine Schwangerschaft freuen. Okay?«
    Ich starrte Charlotte an. Sie lächelte nicht. Ich versuchte, in ihrer Miene zu lesen. »Charlotte, meinst du, ich sollte es Mickey sagen? Oder ihn bitten, mit mir da hinzugehen?«
    Charlottes Blick blieb ruhig und fest. »Das liegt ganz bei dir, Lucy.«
    Wenn ich Mickey anrief, würde er alles stehen und liegen lassen, um mich zu begleiten, das wusste ich. Er wäre auch jetzt hier, wenn ich ihn darum gebeten hätte. Charlotte kam hinter ihrem Schreibtisch hervor und legte mir die Hände auf die Schultern. »Lucy, das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Und wir werden uns keine Sorgen machen, solange wir gar nicht wissen, ob Grund zur Sorge besteht.« Ich nickte, brachte aber kein Wort heraus.
    Charlotte reichte mir einen großen Briefumschlag mit den Aufnahmen, und irgendwie schaffte ich es aus ihrer Praxis und in mein Auto. Unablässig hallten ihre Worte in meinem Kopf wider. Mein erster Impuls war, Mickey anzurufen. Wie sehr ich seine Kraft jetzt brauchte! Aber es ging ihm gerade so gut, er war entspannt und stabil, so voller Vorfreude. Durfte ich ihn wirklich aus diesem Zustand reißen, ehe ich überhaupt etwas wusste? War das nicht nur egoistisch? Wahrscheinlich war alles in Ordnung, und dann hätte ich ihm ganz umsonst Angst gemacht. So jedenfalls redete ich mir die Entscheidung schön, meinen Mann nicht anzurufen.
    Ich lehnte den Kopf an die Stütze, schloss die Augen und versuchte, das Zittern abzustellen. In meinem dampfigen Auto fragte ich mich, wer sonst dieser Fahrt nach New Haven gewachsen sein könnte.

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