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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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aufrecht stehen und mich ein bisschen stützen kannst, wozu zum Teufel bist du dann da?«
    Sein geliebtes Gesicht verzerrte sich, und sein Kummer schnürte mir das Herz zusammen, doch ich konnte die Worte nicht mehr zurücknehmen. Mickey schwieg kurz, dann rieb er sich mit beiden Händen die Fratze der Angst vom Gesicht und ersetzte sie durch einen Ausdruck erzwungener Ruhe. Er holte tief und zittrig Luft und nickte. Er sagte nichts, und ich weiß nicht, was er danach tat, weil ich gleich nach oben ging.
    Ich bemühte mich stets, Mickey aus dem Weg zu gehen, wenn seine Laune Achterbahn fuhr. Ich konnte nichts anderes tun als ihn meiden, während er mit sich selbst kämpfte. Seine Geisteskrankheit war mit seiner natürlichen Ungeduld verflochten, und im Moment war alles von seiner Wut, Angst und der unvermeidlichen Trauer eingefärbt. Er explodierte in unvorhersehbaren Momenten, ohne jeden Anlass, um sich gleich darauf zu entschuldigen. Ich ließ das alles nur deshalb kommentarlos um mich herum einschlagen, weil ich wusste, dass sich unter alledem ein Mann versteckte, der sich verzweifelt bemühte, stark zu sein.
    In einer Krise suchte er immer nach dem Einzigen, woran er sich festklammern konnte, nach dem einen Ding, das in seiner Vorstellung ganz sicher war und wieder in Ordnung bringen würde, was kaputtgegangen war. Letztes Mal, als ich Krebs hatte, war das meine Behandlung gewesen. Mickey setzte all seine Hoffnung auf die hohen Dosen Chemotherapie, in denen ich ertrank. Er hielt meine Hand und verfolgte das Auf und Ab der T-Zellen in meinem Blutbild so fieberhaft wie zu anderen Zeiten die Aktienkurse. Und letztendlich ließen sie ihn nicht im Stich.
    Diesmal krallte er sich an die Abtreibung, die für den kommenden Dienstag geplant war. Sie würde die Wende bringen, er wusste es einfach. Sobald die Schwangerschaft nicht mehr im Weg stand, konnte wieder jede denkbare Krebsbehandlung durchgeführt werden, und
natürlich
würde ich wieder gesund werden. Diese gedankliche Lösung überlebte er nur, indem er sich zu vergessen zwang, wie sehr er unsere Tochter bereits liebte.
    Wenn
ich
jedoch daran dachte, war ich jedes Mal wie gelähmt. Es musste eine andere Möglichkeit geben! Wie konnte ich dieses Baby verlieren, ohne mich selbst zu verlieren? Ich hatte keine Ahnung, also entschied ich mich für Verdrängung. Ich wagte es nicht, auch nur eine Stunde weit in meine Zukunft zu blicken, denn dann würde ich dem, was mich erwartete, wieder eine Stunde näher sein. Wenn mich all das zu überwältigen drohte, ertappte ich mich dabei, wie ich schützend die Kugel streichelte, die meine Körpermitte immer mehr ausdehnte. Doch wenn Mickey bei mir war, zog er meine Hand fort und verschränkte die Finger fest und sicher mit meinen.
    Ich verbrachte die Zeit im Automatik-Modus und weigerte mich, die Ereignisse zu verarbeiten. Leute kamen und gingen, riefen an und sagten nette Sachen, überschütteten mich mit Zuneigung und Ermunterungen. Ich brachte mein Gesicht dazu, das zu tun, was von ihm erwartet wurde. Meine Stimme fand automatisch die nötigen Worte, um das Unbehagen und den Kummer der Menschen in meiner Nähe zu besänftigen. Niemand schien diese Scharade zu durchschauen. Aber ich hielt sie nur durch, bis wir auf dem Parkplatz vor der Abtreibungsklinik ankamen. Natürlich nannte sie sich nicht so. Sie hatte einen wohlklingenderen Namen: Montrose Center for Women’s Health. Doch als Mickey um den Wagen herumging und die Beifahrertür öffnete, schlug mir die Realität dessen, was hier geschehen sollte, mit solcher Wucht ins Gesicht, dass ich nicht aussteigen konnte.
    Mickey beugte sich zu mir herab. »Lu? Schatz, wir kommen zu spät.« Er zupfte an meinem Arm, und ich blickte zu ihm auf.
    »Ich kann das nicht.«
    »Lucy, komm. Es ist doch gleich vorbei.«
    Das war eine Lüge, aber ich wagte nicht, ihm zu widersprechen. Ich stieg aus.
    Der Wartebereich der Klinik war dunkel und gemütlich eingerichtet mit Ledersofas und stapelweise aktuellen Zeitschriften. Ich setzte mich, während Mickey die Anmeldung übernahm. Außer mir wartete nur noch eine sehr junge Frau, die im
People Magazine
blätterte und dabei Kaugummiblasen platzen ließ. Sie trug niedliche Schuhe und sah mich kein einziges Mal an.
    Ich schaute zu Mickey hinüber, der über den Empfangstresen gebeugt dastand, Formulare aufmerksam las und unterschrieb. Er sah stark aus, als könnte er mich quer durch den Staat tragen, ohne ins Schwitzen zu geraten. Sein

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