Tanz der Aranaea (German Edition)
Gehör vernahm ein leises Knarren eines Scharniers zu einem Eisentor. Die Räder rollten über feinen Kies und der Fahrer befuhr zunächst eine leichte Linkskurve, um danach die Lenkung stark nach rechts zu ziehen. Nach wenigen Metern stoppte der Fahrer und schaltete den Motor aus. Wir gingen über zwei Stufen, die sehr großzügig ausgelegt waren. Hinter mir fiel eine schwere Holztür in seine Schließvorrichtung. Sie führten mich durch einige Räume und dann ging es eine schmale Treppe hinunter, wahrscheinlich in den Keller, in den Folterkeller. In einem der Kellerräume nahmen sie mir den Sack vom Kopf, und lösten meine Handschellen. Danach verschwanden die beiden Militärpolizisten und verschlossen die schwere Eisentür.
Der schmale Kellerraum besaß außer dem Feldbett und dem kleinen vergitterten Fenster, eingelassen an oberster Stelle einer Wand welches keinen Blick ins Freie zuließ. Dazu gab es noch ein Waschbecken, aus dessen Leitung nur spärliches kaltes Wasser floss. Ich reinigte mein blutverschmiertes Gesicht. Meine Nase bereitete mir dabei höllische Schmerzen. Der Überwachungsapparat von Houari Boumedienne hat sehr schnell die KGB- und Stasimethoden des Ostblocks angenommen. Ich konnte nur auf die Lücken hoffen, die zu Beginn in einer jeden zu gründenden Struktur vorhanden waren. So auch in Algerien. Ich legte mich erschöpft auf ein Feldbett und war fortan zu keinen Gedanken mehr fähig. Meine Uhr zeigte jetzt auf zwei Stunden vor Mitternacht.
***
Mittwoch der 18. Dezember 1963.
Es war bereits zehn Uhr morgens und zum Abend sollte ich mich mit Sabi Loulou und Zouzou in Constantine treffen.
Ich resümierte: Diesen Termin werde ich mit Sicherheit nicht einhalten können. Sie müssten sich schon noch ein paar Tage gedulden, so schnell kam ich hier nicht heraus. Möglicherweise werde ich diesen Kellerraum auch nicht mehr lebend verlassen. Das glaube ich aber wiederum auch nicht, sonst hätten sie mich nicht die ganze Nacht in Ruhe gelassen. Vielleicht war es irgendwie auch nur eine Taktik. Irgendwie musste ich einige Herren des KGB Büro Algerien in Verlegenheit gebracht haben. Vancelli, ein KGB Agent aus Moskau, und was tut er in Algerien? Warum wurden sie nicht informiert? Lefebre, den sie hier möglicherweise kennen. Ein französischer SDECE Agent in Algerien? und das hiesige KGB Büro weiß von allem nichts davon. Vielleicht wendet sich doch noch alles zum Guten und ich kann bis spätestens zum Freitag, in Constantine sein. Der amerikanische CIA wird unter Umstände darauf drängen, das Zouzou und Sabi Loulou auch ohne mich weiterfahren, falls ich nicht zeitig auftauche. Andererseits denke ich, dass ich inzwischen nicht mehr benötigt werde, und sie überlassen mich meinem Schicksal.
Die beiden haben mit den neuen echten falschen Schweizer Pässen, unter Verwendung meines Namens, Legitimation genug um bis ans Ende der Welt zu reisen.
Nach dem Aufenthalt in Constantine, wollten wir die Orte Batna und El Kantara im Aures Gebirge anfahren. Biskra, die letzte Stadt, bevor die Sahara beginnt ist unsere darauf folgende Anlaufstation. Der letztmögliche Punkt, an dem ich die beiden noch antreffen könnte, wäre das tief in der östlichen Sahara liegende algerische El Oued, die Stadt der tausend Kuppeln, im Souf, gelegen. Dann ist aber wirklich das Ende der Fahnenstange erreicht. Sollte ich sie dort nicht mehr antreffen, dann kann ich mir irgendwo in der Welt ein Asyl suchen.
***
Die schwere Eisentür zu meinem Kellerraum wurde geöffnet und ein junger Soldat der algerischen Armee forderte mich auf, ihm zu folgen. Man legte mir dieses Mal keinen Stoffsack über den Kopf, so dass ich mich außerhalb meines Kellergefängnisses ungestört umsehen konnte. Die schmale Kellertreppe führte zu einem Vorraum, dem ein größerer Salon mit einem rötlichen Marmorboden folgte. Wir waren in einer feudalen Villa mit maurischer Innenarchitektur. Durch ein Fenster konnte ich den gepflegten Park mit altem Baumbestand erkennen.
Wir erreichten ein Büro, mit sehr exklusiven Möbeln. Vor einem mächtigen Schreibtisch aus Edelholz befand sich ein Stuhl und ein Soldat forderte mich auf darauf Platz zu nehmen. Außer diesem Soldaten und mir, befand sich niemand in diesem Büro. Er selbst postierte sich einen Meter seitlich von mir.
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