Tanz der Dämonen
Apfelkerne neben sich.
»Es ist schon zum Lachen«, sagte er. »Ich bin in Pavia dabei gewesen und beim Sacco di Roma . Bei Pavia war ich auf der Seite der Verlierer und habe nicht einen Kratzer davongetragen. In Rom stand ich auf Seiten der Sieger – und bekam das …« Er deutete vage auf die Narbe, die sich über die linke Seite seines Gesichtes zog. Ich wusste, von welchen Ereignissen er sprach. Die Schlacht von Pavia war erst vor ein paar Jahren geschlagen worden. Kaiser Karl V., der damals noch nicht vom Papst gekrönt worden war, hatte den König von Frankreich besiegt. Wenig später war wieder Krieg gewesen. Die kaiserliche Armee hatte die große Stadt Rom erobert und geplündert. Vater Sebastian hatte mir davon erzählt. Als es um die Erniedrigung und Verwüstung der Ewigen Stadt ging, die er so sehr liebte, hatte er geweint. Die Erinnerung an den gütigen Greis, der für mich fast ein Heiliger gewesen war, warf einen Schatten auf mein Gemüt. Hatte ich doch gerade gestern erst den Abschiedsbrief gelesen, den er mir zugedacht hatte. Aber ich durfte dieser Stimmung nicht nachgeben. Ich wollte hören, was Grifone zu erzählen hatte, und stellte keine Fragen, um ihn nicht aus seiner gesprächigen Laune zu reißen. Er nahm noch einen Schluck Wein und blickte nachdenklich in sein Glas.
»Es ging heiß her«, sagte er. »Bei Pavia zunächst. Das war im Jahr 25, am 24 . Februar – dem Geburtstag des Kaisers. Ich habe damals in der Schwarzen Legion gestanden, die beim Franzosen in Sold war, wie mancher andere brave Mann auch, der gar nicht aus Frankreich stammte. Ja, du hast richtig gehört. Wir haben für König Franz gekämpft. Der Hurenbock! Man sagt, seine Nase ist genau so lang wie …« Er räusperte sich und brummte: »Jedenfalls hat er sich tapfer geschlagen an diesem Tag und ist verwundet worden. Am Ende wurde er gefangen und nach Spanien geschleppt. Achttausend Mann sind auf der besiegten Seite gefallen. Es war ein Gemetzel! Meine Ohren waren drei Tage taub vom Donner der Kanonen. Wir hatten den Frundsberg gegen uns, den man den Vaterder Landsknechte nannte, auch ein Hurenbock! Aber was für einer! Und dann noch den Bourbon, jawohl, den Connetable. Der hatte sich mit seinem König zerstritten und kämpfte für den Kaiser. So geht es manchmal im Krieg. Zuerst haben wir in einem Obstgarten gesteckt und hinter einer Mauer zugesehen, wie die Reiterei sich blutige Köpfe holte. Dann rückten die Kaiserlichen vor, und es kam zum Handgemenge …«
Wieder einen Schluck.
»Es ging heiß her an diesem Tag! Gegen Mittag habe ich unter einem Dorngestrüpp gesessen. Die Luft war voll Rauch, aber wie es manchmal ist, es wurde für kurze Zeit ganz still, und die Sonne brach durch und wärmte mich. Nicht weit von mir lagen Gefallene. Die Fliegen sammelten sich auf Blut und Gekröse. Nun gut, schlimmer ist der Anblick der Verwundeten …«
Noch einen Schluck.
»Viele auf der anderen Seite haben wir gekannt. Mit manchem hatten wir früher zusammen gefochten. Oh, verdammt, die langen Lanzen! ›Werft alles hin‹, haben sie gerufen und drohten, uns sonst zusammenzuhauen. Wir haben ihnen kein leichtes Spiel gegeben.«
Jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. »Wieso habt Ihr für die Franzosen gekämpft?«
»Was? Ja, wieso? Ich war nicht der Einzige, verstehst du? Es gab Gründe.«
Solche Sätze hatte ich nun schon allzu oft gehört in den letzten Tagen. Sie wurden immer dann gebraucht, wenn man mir nicht die Wahrheit sagen wollte, und das geschah verflixt oft! Natürlich machte ich mir meine Gedanken. Wahrscheinlich hatte er so viel auf dem Kerbholz gehabt, dass er sich bei den eigenen Leuten für einige Zeit nicht mehr blicken lassen durfte.
Er nahm noch einmal einen großen Schluck und fuhr fort: »Es war eben ein schrecklicher Wirrwarr. So ist das im Krieg. Zuletzt war ich bei denen, die sie ins Wasser getrieben haben. Der Ticino. Eiskalt! Da bin ich ihnen mit Glück entwischt. Zwei Nächte musste ich mich verborgen halten. So viele Leichen auf dem Schlachtfeld!Und die Krähen! Aber ein paar Meilen weiter waren fruchtbare Felder. Etwas später stieß ich auf die Kaiserlichen. Ein paar meiner Freunde waren da. Viele waren tot. Niemand schien zu wissen, auf wessen Seite ich gekämpft hatte, und niemand schien sich an die alten Geschichten zu erinnern. Später habe ich dann beim Frundsberg das Handgeld genommen. Kurz darauf traf ich den da.«
Plötzlich stimmte Osman, wenn er auch das Gesicht dabei
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