Tanz der Dämonen
halte.
»Wenn es so weit ist, will ich bereit sein«, antwortete er. Ich ärgerte mich über seine Verschlossenheit. »Ist das wahr, was du gestern gesagt hast, dass du aus einem großen Reich im Land Afrika kommst?«
»Ja«, sagte er. »Das ist wahr. Mein Vater war ein Mohrenkönig,wie ihr sagt. Ich bin sein Sohn.« Er hatte das mit so ruhiger Bestimmtheit gesprochen, dass ich nicht zögerte, ihm zu glauben. Dennoch spürte ich auch etwas anderes in seiner Stimme und in seiner Haltung, ein Zögern, das mich davon abhielt, das Thema weiter zu verfolgen. Er sprach wohl nicht gerne darüber.
Sambo summte vergnügt vor sich hin. Ich aber grübelte weiter.
»Und woher kennst du Ahasver?«, fuhr ich fort.
»Er hat mir das Leben gerettet, als es keinen Deut mehr wert war.«
»Und jetzt bist du sein Sklave?«
»Sklaverei gibt es doch nicht bei euch.«
»Oder sein Freund?«
»Vielleicht etwas von beidem … Ich verdanke ihm viel.«
Mir wurde in diesen Tagen bewusst, von wie vielen Ungewissheiten ich umgeben war. Eigentlich wusste ich über nichts, was mich betraf, wirklich Bescheid. Und meine Freunde – die Leute, die ich meine Freunde nannte – wichen mir aus. Hatte Ahasver ihnen verboten, mir die Wahrheit zu sagen? Oder wussten sie selber nicht, was sie mir antworten sollten?
Ich gab jedenfalls nicht auf, jetzt, da ich einmal mit Sambo unter vier Augen reden konnte, und so fragte ich ihn als Nächstes: »Bist du wirklich mein Freund?«
Er blickte mich groß an. »Da sei gewiss!«
Ich nickte. Ich glaubte ihm, weil ich es nicht ertragen hätte, es nicht zu tun. Und so sprach ich von etwas anderem: »Noch etwas, Sambo, warum redest du manchmal so seltsam, wenn Fremde dabei sind … du weißt schon!«
Er lachte. »Als wäre eure Sprache zu schwierig für mich? Weißt du, Sprachen sind mir nie schwer gefallen. Aber so komme ich besser zurecht. Es ist das, was diese Leute erwarten. Sonst würden sie sich wundern …«
Die Antwort überzeugte mich, aber sie gab mir auch zu denken. Sambo fuhr gleichmütig mit seiner Arbeit fort. Nach eine Weile des Schweigens grinste er mich plötzlich an und sagte: »Du nichtgrübeln in Kopf. Kat gut Freund. Barbaro viel hungrig. Gehen mit. Füttern ihm!«
Später, als ich gerade im Begriff stand, die Treppe zum Dachboden hinaufzusteigen, stand plötzlich der Fremde vor mir, Ohrring, der mir am Vorabend Kopfzerbrechen bereitet hatte. Er stutzte, als er mich sah, und es schien mir, dass er etwas unter dem Mantel verbarg. Hatte er etwas an sich gebracht, das ihm nicht gehörte? Mein Herz klopfte heftig. Sollte ich um Hilfe rufen? Oder würde ich mich damit lächerlich machen? Ehe ich mich entscheiden konnte, griff er mit einer schnellen Handbewegung nach mir und packte mich am Kragen.
»Hör zu«, sagte er drohend. »Du wirst mich in Ruhe lassen, verstehst du? Lass dir ja nicht einfallen, hinter mir herzuschnüffeln. Ich brech dir alle Knochen!«
Ich war froh, dass ich meine Stimme wiederfand. »Schon gut. Was wollt Ihr eigentlich von mir?«
»Von dir gar nichts, du Frosch. Aber geh mir aus dem Weg! Dann passiert dir nichts.«
Woher war er gekommen? Es konnte nur von Ahasvers Kammertür gewesen sein.
Um Mittag bin ich in die Stadt gegangen. Es war mir leid, dass Pietro und Sambo sich weigerten oder zu feige waren, mir weiterzuhelfen. Ahasver wollte ich gar nicht sehen, und ich war entschlossen, mich nicht an sein Verbot zu halten. Ich hatte das Bedürfnis, meine anderen Freunde, die Bettler, zu treffen; vielleicht konnte ich mit ihnen über das reden, was mich bedrängte.
Es war der Dreikönigentag, und Köln schwelgte in Feierstimmung. Nirgends wurde gearbeitet. Manche Kirchen waren geschmückt. Überall heilige Messen. Ich schlüpfte in eine große Kirche am Weg, die mit einem beeindruckenden Lettner ausgestattet war. Ich betete in einer der seitlichen Kapellen, durch deren bunte Fenster das Licht hereinfiel. Ich betete zur Madonna, fand aber nicht die passenden Worte. Vater Sebastian hatte mich viele Gebete gelehrt, aber keineserschien mir angemessen. So flehte ich einfach nur: »Hilf mir, wenn es dein Wille ist, und hilf meinen Freunden!«
Dann war ich wieder in den Gassen. Viele Bürger in Sonntagskleidern und zahllose Fremde: Pilger, Staatsgäste, kaiserliches Gefolge, Soldaten und all jenes Volk, das immer kommt, wenn es gilt, aus der Festlaune derer, die etwas besitzen, Gewinn zu machen. Händler, Gaukler und Spitzbuben. Und Bettler.
Ich musste nicht lange
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